Obwohl die Weltrekorde beim Chicago-Marathon dieses Mal außer Reichweite
lagen, bewies das Rennen einmal mehr, warum es neben London und Berlin in den
letzten Jahren zu den hochkarätigsten Läufen über die
klassischen 42,195 km gehörte. Zwei Wochen nach dem ersten Lauf unter 2:05
Stunden durch Paul Tergat beim real,- BERLIN-MARATHON, sorgte ein anderer
Kenianer in Chicago für Furore: Evans Rutto lief das schnellste
Marathondebüt aller Zeiten. Der 25-Jährige gewann in 2:05:50 Stunden
und verpasste den vier Jahre alten Streckenrekord von Khalid Khannouchi
lediglich um acht Sekunden. Khannouchis 2:05:42 Stunden hatten 1999 Weltrekord
bedeutet. Der Amerikaner hatte verletzungsbedingt auf seinen Start in Chicago
verzichten müssen.
Auch Platz zwei ging an einen Debütanten: Paul Koech startete seine
Marathonkarriere mit hochklassigen 2:07:07 Stunden. Und während die besten
deutschen Marathonläufer zurzeit über zehn Minuten hinter der
Weltspitze laufen, hat ein Deutscher einen entscheidenden Anteil am
kenianischen Triumph in Chicago. Denn Rutto und Koech wurden von Dieter Hogen,
dem Trainer von Uta Pippig, in Boulder auf den Chicago-Marathon vorbereitet.
Zum ersten Mal seit mehreren Jahren hatte Hogen wieder kenianische
Marathonläufer trainiert, nachdem er Mitte und Ende der 90er Jahren
bereits eine Reihe von beachtenswerten Erfolgen feierte. So gewann zum Beispiel
Sammy Lelei 1995 den BERLIN-MARATHON in der damals zweitschnellsten Zeit aller
Zeiten. Seine 2:07:02 bedeuteten damals in Berlin eine Sensation. Hogens
Kenianer gewannen aber auch in Chicago und Boston. Man darf gespannt sein, was
für Rutto und Koech in den nächsten Jahren noch möglich sein
wird. Voraussichtlich in New York wird Dieter Hogen die nächsten Kenianer
im Rennen haben.
Vergleichsweise nicht ganz so hochkarätig war das Frauen-Rennen in
Chicago, bei dem die Vorjahressiegerin Paula Radcliffe (Großbritannien)
nicht am Start war. Swetlana Sacharowa, die im Frühjahr bereits den
Boston-Marathon gewonnen hatte, triumphierte nun auch in Chicago. Die Russin
lief 2:23:07 und war 28 Sekunden vor Constantina Tomescu-Dita
(Rumänien/2:23:35) im Ziel. Während die Sacharowa neben dem Sieggeld
von 100.000 Dollar noch 10.000 Dollar für die Zeit bekam, war der
Chicago-Marathon für Evans Rutto der bisher größte Zahltag in
seinem Leben. Neben den 100.000 Dollar bekam er weitere 125.000 Dollar für
seine Zeit unter 2:06 Stunden. Kein anderer Marathon zahlt zurzeit derartige
Prämien. Und auch in punkto Masse könnte der Chicago-Marathon in
diesem Jahr ganz vorne sein. Denn erstmals wurden 40.000 Meldungen angenommen.
Wie viele Läufer tatsächlich am Start waren, ist bisher nicht
bekannt, ebenso wenig die Zielzahl.
Ideal war in diesem Jahr das Wetter. Bei Temperaturen zwischen 11 und 16
Grad Celsius war es bei einem leichten Wind sonnig. Zwei prominente
südafrikanische Tempomacher – Gert Thys und Hendrik Ramaala –
führten eine größere Führungsgruppe in 63:20 Minuten durch
die erst Hälfte. Bei 25 km (1:15:04) war Rutto bereits an der Spitze, lief
aber immer noch zusammen mit den anderen. Die Gruppe verkleinerte sich bei
zunehmendem Tempo schnell. Als Rutto sich kurz vor der 30-km-Marke, die er in
1:29:57 Stunden passierte, löste, ließ er fünf Landsleute
hinter sich: Neben seinem Trainingspartner Paul Koech waren dies noch Joseph
Ngolepus, Daniel Njenga, der später in 2:07:41 Dritter werden sollte,
sowie Peter Chebet und Haron Toroitich.
“Es war mein Plan, mich etwa 10 Kilometer vor dem Ziel abzusetzen.
Allerdings war ich erstaunt, dass keiner der anderen Läufer mithalten
konnte, denn die Tempoverschärfung fiel mir leicht“, erklärte
Rutto, der 2001 bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften in Bristol in 60:43
Minuten Platz sechs belegt hatte. Das war zugleich seine Bestzeit über
diese Distanz. “Ich habe mich in den letzten zwei Monaten intensiv auf
dieses Rennen vorbereitet. Es war mein Ziel, eine Zeit zwischen 2:06 und 2:07
Stunden zu laufen. Ich wollte das Tempo nicht zu früh forcieren, denn es
war mein erster Marathon, und ich wusste nicht, was noch kommen würde. Ich
war selbst überrascht über diese Zeit“, erklärte Evans
Rutto, der die sechstbeste Zeit aller Zeiten erreichte und zum viertschnellsten
Marathonläufer wurde.
“Ich habe etwa einen Kilometer versucht, Evans zu folgen. Aber ich
hatte mit ihm trainiert und wusste, was er laufen kann“, sagte Paul Koech
später. Der 34-Jährige, der eine 10.000-m-Bestzeit von 26:36,20
Minuten hat, erklärte: “Mein einziges Problem war, dass ich nicht
genau wusste, was auf mich zukommen würde. Leider habe ich zu spät,
erst an der Halbmarathonmarke gemerkt, dass wir zu langsam unterwegs
waren.“
Es wäre interessant gewesen, wenn Khannouchi im Rennen gegen die
Kenianer dabei gewesen wäre. Meistens hat er sie geschlagen, doch es war
ebenfalls ein Kenianer aus der Hogen-Gruppe, der ihn 1998 in Chicago bezwungen
hatte: Ondoro Osoro rannte damals mit 2:06:54 Stunden das bis dahin schnellste
Marathondebüt.
Die Entscheidung im Frauenrennen fiel bei Kilometer 37. Bis dahin hatte die
spätere zweitplatzierte Constantina Tomescu-Dita (Rumänien/2:23:35)
unterstützt von ihren Tempomachern das Feld angeführt. Bei der
Halbmarathonmarke hatte sie nach 1:11:18 Stunden über eine Minute
Vorsprung. Doch langsam schloss Swetlana Sacharowa die Lücke. “Ich
weiß, dass sie oft von vorne läuft, daher habe ich mir keine Sorgen
wegen des Rückstandes gemacht“, sagte die Russin
später.Sacharowa hatte bei der WM in Paris Platz neun im Marathon belegt,
war damit allerdings nicht zufrieden. “Deswegen wollte ich in Chicago
zeigen, was ich kann.“
Ein hochkarätiges Männerrennen gab es auch beim
Amsterdam-Marathon, den William Kipsang in der neuen Streckenrekordzeit von
2:06:39 Stunden gewann. Auch hier dominierten die Kenianer, die die ersten
fünf Plätze belegten, das Geschehen. Zweiter wurde in hochklassigen
2:06:42 der Debütant Felix Limo, Rang drei ging an Benjamin Kosgei
(2:07:39). Und auch William Kiplagat blieb in 2:07:51 noch unter 2:08 Stunden.
Ein wiederum schwächeres Frauenrennen entschied Elana Sampaio (Portugal)
in 2:28:06 Stunden vor der Debütantin Caroline Kwambai (Kenia/2:28:47)
für sich.
Ergebnisse, Chicago:
Männer: 1. Rutto KEN 2:05:50, 2. Koech KEN 2:07:07, 3. Njenga KEN
2:07:41, 4. Chebet KEN 2:08:43, 5. Muindi KEN 2:08:57, 6. El Mouaziz MAR
2:09:38, 7. Keflezighi USA 2:10:03, 8. Ramaala RSA 2:10:55, 9. Bezabeh AUS
2:11:08, 10. Kiprono KEN 2:11:30.
Frauen: 1. Sacharowa RUS 2:23:07, 2. Tomescu-Dita ROM 2:23:35, 3. Prokopcuka
LAT 2:24:53, 4. Iwanowa RUS 2:25:35, 5. Grazyna Syrek POL 2:26:22, 6. Sobanska
POL 2:27:50, 7. de Reuck USA 2:28:01, 8. Biktagirowa RUS 2:28:33, 9. Olaru ROM
2:29:00, 10. Youngquist USA 2:29:01.