Heute am Freitag beginnen die Olympischen Spiele in Athen. Der Marathonlauf der
Frauen wird am Sonntag, dem 22. August und der Marathon der Männer am 29.
August stattfinden.
Die klassische Strecke von Marathon nach Athen wurde hier schon vorgestellt
unter:
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002280
Die Favoritin für den Marathonlauf der Frauen wurde ebenso schon
vorgestellt:
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002271
Es bleibt auch noch die Zeit den Favoriten für den Marathon der
Männer hier preiszugeben und damit sind alle Favoriten auf Gold der elf
Laufdisziplinen - ab 800 m aufwärts - der Frauen und Männer bei uns
im Internet besprochen worden.
Vieles wird sicherlich am Tage X dann ganz anders kommen – das
Favoritensterben hat schon begonnen, bevor der erste Startschuss gefallen ist,
siehe die 1500m Favoritin Süreyya Ayhan:
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002276
In dem heutigen vorletzten Beitrag geht es um die
Olympia-„Erinnerungs-Laufserie“ der deutschen Teilnehmerinnen im
Marathonlauf. Erst seit 20 Jahren dürfen sich Frauen am Marathon bei
Olympischen Spielen beteiligen. Auch hier soll aus Respekt vor den großen
Leistungen der Frauen bei der längsten Laufdisziplin, auch wenn die
olympische Vergangenheit noch relativ kurz ist, die Erinnerung wachgehalten
werden und den heute aktiven Läuferinnen zur Nachahmung empfohlen
sein.
Den Marathonlauf der Frauen gibt es erst seit den Spielen in Los
Angeles 1984.
Während die Männer seit Beginn der Olympischen Spiele 1896 in Athen
den Marathon bestreiten, wurden die Frauen erst in Los Angeles 1984 zum
Marathonlauf zugelassen. In Athen 1896 soll im übrigen aber auch schon
eine Frau, namens Melpomene die Strecke unerkannt gelaufen sein. Sie unternahm
vorher einen Probelauf auf der Marathonstrecke, legte nach der Hälfte eine
kurze Pause ein, um sich mit Orangen zu erfrischen und brauchte dann bis zum
Ziel insgesamt 4,5 Stunden.
Auch nach dem Olympiasieg des Griechen Spyridon Louis im Marathon 1896 war die
Griechin Stamatia Rovithi so begeistert vom Sieg ihres Landsmannes, daß
sie ihm nacheifern wollte.
Gertrud Pfister schreibt dazu: „Die 35-jährige Mutter von 7 Kindern
legte die Strecke in 5 ½ Stunden zurück. Sie selbst gab an,
daß sie noch schneller gewesen wäre, wenn sie nicht unterwegs einige
Schaufenster angesehen hätte.“
Gertrud Pfister schreibt dazu weiter in ihrem Beitrag „Warum sind Frauen
in der Laufbewegung unterrepräsentiert“ im Sammelband „Die
Laufbewegung in Deutschland – interdisziplinär betrachtet“
(Dieter H. Jütting; Hrsg.), daß in den griechischen Götter- und
Heldensagen Frauen hervorragende läuferische Qualitäten bescheinigt
wird.
Die berühmteste Läuferin in der Welt der Götter und Heroen
war Atalante. Sie war von ihren Eltern ausgesetzt und entwickelte sich zur
kühnen Jägerin, die zahlreiche Heldentaten vollbrachte. Wer um
Atalante freien wollte, mußte sich mit ihr in einem Laufwettbewerb
messen, mußte im wahrsten Sinne des Wortes um sein Leben laufen. Pfister
weiter, in Griechenland fanden seit dem 6.Jh. vor Chr. Wettläufe von
Mädchen und jungen Frauen zu Ehren der Göttin Hera und auch in Sparta
gehörte Laufen zum Erziehungsprogramm der Mädchen.
Um so unverständlicher ist es aus heutiger Sicht, daß Frauen das
Laufen, zumindest bei Wettkämpfen und Meisterschaften derartig lange von
den Männern und Funktionären vorenthalten wurde.
In Deutschland war es Dr. Ernst van Aaken vorbehalten am 28. Oktober 1973
den ersten Frauen-Marathon in Waldniel zu veranstalten. Christa
Kofferschläger gewann in 2:59:25,6 – das war auch gleich
europäischer Rekord. Am 10. Februar 1974 Lief Judy Ikenberry in 2:55:18 in
San Mateo den ersten Marathon für Frauen in den USA.
Allerdings war es selbst dahin ein langer und steiniger Weg für die Frauen
Marathon zu laufen (zu dürfen). Kathrine Switzer hatte ihre große
Stunde als sie 19. April 1967 beim berühmten Boston Marathon unter den
Namen K.V. Switzer mit einer offiziellen Startnummer unerkannt mitlief bis Jock
Semple, ein Offizieller, sie erkannte und herausdrängeln wollte. Semple
hatte allerdings Pech. Der mitlaufende Begleiter von Kathrine Switzer Tom
Miller, war ein Hammerwerfer, der sich dann des Offiziellen annahm und ihn
wegboxte. Kathrine Switzer lief in etwa 4:20 durch bis ins Ziel und hatte die
Schlagzeilen und Bilder des Tages weltweit.
Schon ein Jahr vorher, 1966 lief Roberta Gibb ohne eine Startnummer in Boston
mit, sie mischte sich unter die Läufer und kam in 3:30 etwa ins Ziel.
Kathrine Switzer gehörte dann auch zu den resoluten Frauen, die die
Entwicklung im Frauenlaufsport vorantrieben.
Sie war auch maßgeblich daran beteiligt, als Repräsentantin von
AVON in New York, daß 1984 in Berlin vom SCC Berlin der 1. AVON
Frauenlauf im Tiergarten stattfinden konnte.
Beim 1. BERLIN-MARATHON 1974 gewann Jutta von Haase in 3:22:01 die Premiere,
sie war eine von neun Läuferinnen bei insgesamt 286 Teilnehmern. 1977 lief
Christa Vahlensieck bei den Deutschen Meisterschaften innerhalb des 4.
BERLIN-MARATHON einen neuen Weltrekord mit 2:34,48.
Erst in Athen 1982 fanden die ersten Europameisterschaften der Frauen im
Marathon statt, 1983 die ersten Weltmeisterschaften der Frauen im Marathon in
Helsinki und schließlich 1984 durften dann die Frauen an den Olympischen
Spielen im Marathon in Los Angeles teilnehmen.
Die japanischen Frauen haben insgesamt 3 olympische Medaillen in
dieser noch jungen olympischen Disziplin gewonnen, je einmal Gold, Silber und
Bronze,
dahinter kommt Russland/GUS mit je einer Gold- und Silber- und dann Portugal
mit einer je Gold- und Bronzemedaille.
11 Nationen teilen sich die 15 Medaillen auf.
Die deutschen Marathonläuferinnen haben mit Kathrin Dörre
ihr großes läuferisches Aushängeschild. Sie nahm an drei
Olympischen Spielen teil und platzierte sich jeweils. Sie gewann 1988 in Seoul
eine Bronzemedaille, belegte 1992 in Barcelona einen fünften Platz und
1996 in Atlanta einen vierten Platz. Das ist eine stolze
Erfolgsserie.
Überblick über die Medaillenverteilung der erfolgreichsten
Nationen im Marathon der Frauen:
Deutschland: 0 Gold / 0 Silber / 1 x Bronze / 1 x vierter Platz / 1
x fünfter Platz / 1 x achter Platz
JPN: 1 G / 1 S / 1 B
URS: 1 G / 1 S
POR: 1 G / 0 S / 1 B
USA: 1 G
ETH: 1 G
NOR: 0 G / 1 S
AUS: 0 G / 1 S
ROM: 0 G / 1 S
NZE: 0 G / 0 S / 1 B
KEN: 0 G / 0 S / 1 B
Los Angeles 1984 – Erstes Gold für Benoit –
Charlotte Teske Sechzehnte
"5" />Schon nach 4 Kilometern verabschiedete sich Joan Benoit (USA) von ihren
hochkarätigen Mitkonkurrentinnen. Benoit hatte die US-Ausscheidungen
gewonnen und war Inhaberin der Weltbestzeit. Die 27-jährige Amerikanerin
hielt ihren einsamen Lauf bis ins Ziel durch. Im Coliseum in Los Angeles war an
diesem Sonntagvormittag des Publikum natürlicherweise in Hochstimmung als
ihre Landsfrau ins Stadion lief. Sie ließ immerhin die Weltmeisterin von
1983 Grete Waitz und die Europameisterin von 1982 Rosa Mota hinter sich, Inge
Kristiansen plazierte sich als Vierte.
Charlotte Teske, das Aushängeschild der deutschen Langstrecklerinnen, ging
mit Ischiasbeschwerden – und deswegen Trainingsmangel – an den
Start. Sie lag anfangs mit im Spitzenfeld, fiel dann zurück.
Zwar war der Start schon morgens um acht Uhr mit noch angenehmen Temperaturen,
aber danach ging das Thermometer steil in die Höhe, es wurde eine
Hitzeschlacht.
Die Bilder der Schweizerin Gabriela Anderson-Schiess, die die letzten 500 m
durchs Stadion wankte und jede Hilfe ablehnte, sind vielen noch heute negativ
präsent.
Finale (5. August)
1. Joan Benoit (USA) 2:24:52 – 2. Grete Waitz (NOR) 2:26:18 – 3.
Rosa Mota (POR) 2:26:57 - 4. Ingrid Kristiansen (NOR) 2 :27:34 - ... ... 16.
Charlotte Teske 2:35:56
Seoul 1988 – Kathrin Doerre gewinnt die
Bronzemedaille
"5" />Bei Kilometer 38 ging Rosa Mota, Dritte von Los Angeles in die Offensive
und entschied wahrscheinlich den Lauf, als sie sich von Lisa Martin und Kathrin
Doerre löste, mit denen sie vorher lange zusammenlief. Noch bei Kilometer
15 lag Grete Waitz, Silbermedaillengewinnerin von Los Angeles und lange
Inhaberin der Weltbestzeit vorne, sie gab aber dann das Rennen auf.
Katrin Doerre gehörte mit zum Favoritinnenkreis und man hatte sie auch
ganz weit vorne erwartet. Diese Hoffnungen erfüllte sie und holte damit
die erste Medaille für eine deutsche Marathonläuferin. Kerstin
Preßler aus Berlin (Siegerin BERLIN-MARATHON 1987 in 2:31:22) belegte den
21. Platz in 2:34:26, Gabriele Wolf lag auf Platz 27 in 2:35:11 nicht so weit
zurück.
Charlotte Teske, 1986 Siegerin des BERLIN-MARATHON in 2:32:10, verzichtete auf
einen Start, da sie sich kurz vorher schwer erkältete. Birgit Stephan trat
das Rennen nicht an.
Finale (23. September):
1. Rosa Mota (POR) 2:25:40 – 2. Lisa Martin (AUS) 2:25:53 – 3.
Katrin Dörre 2:26:21 - ... ... 21. Kerstin Preßler 2:34:26 - ... ...
27. Gabriele Wolf 2:35:11
Barcelona 1992 – Kathrin Doerre Fünfte
"5" />Es war eine dramatische Hitzeschlacht in Barcelona.
„Leichtathletik“ schreibt „es gab keine Siegerin und
Besiegte, sondern nur Überlebende“! Wanda Panfil die polnische
Weltmeisterin des Vorjahres in Tokio landete nur auf dem Platz 23. Insofern
muß der fünfte Rang von Kathrin Doerre entsprechend gewürdigt
werden.
Die Japanerinnen zeigten zum ersten Mal Flagge und belegten mit Yuki Arimori
den zweiten Platz hinter der Russin Jegorowa, die die Japanerin erst im Stadion
endgültig hinter sich lassen konnte. Sachiko Yamashita (JPN), die zweite
Japanerin, wurde Vierte.
Birgit Jerschabek lief ein gutes Rennen als 15. in 2:42:45. Sie hatte sich voll
verausgabt und mußte nach Zieldurchlauf ärztlich behandelt
werden.
Finale (1. August):
1. Valentina Jegorowa (GUS) 2:32:41 – 2. Yuko Arimori (JPN) 2:32:49,3
– 3. Lorraine Mary Moller (NZL) 2:33:59,4 – 4. Sachiko Yamashita
(JPN) 236:26,5 – 5. Kathrin Doerre 2:36:48,6 - ... ... 15. Birgit
Jerschabek 2:42:45
Atlanta 1996 – Kathrin Doerre-Heinig Vierte – Sonja
Krolik Achte
"5" />Mit Fatuma Roba aus Äthiopien holte sich zum ersten Mal eine
afrikanische Läuferin das olympische Gold im Marathon und trat damit in
die Fußstapfen des legendären Äthiopiers Abebe Bikila, Sieger
von Rom 1960 und Tokio 1964. Sie siegte überlegen vor der
Barcelona-Siegerin Jegorowa und der Zweiten von Barcelona Yuko
Arimori.
Kathrin Doerre-Heinig, die 1994 den BERLIN-MARATHON in 2:25:15 gewonnen
hatte, war wieder die Zuverlässigkeit in persona und belegte knapp
geschlagen den vierten Platz. Sonja Krolik rollte praktisch das Feld von hinten
auf und belegte einen achtbaren 8. Rang in 2:31:16.
Uta Pippig (SCC Berlin) vorher hoch als Mitfavoritin gehandelt und als
mehrfache Boston-Marathon und BERLIN-MARATHON Siegerin berühmt,
führte zunächst das Rennen an – und gab dann enttäuschend
für alle - auf.
Finale:
1. Fatuma Roba (ETH) 2:26:05 – 2. Valentina Jegorowa (RUS) 2:28:05
– 3. Yuko Arimori (JPN) 2:28:39 – 4. Kathrin Doerre-Heinig 2:28:45
- ... ... 8. Sonja Krolik 2:31:16
Sydney 2000 – Sieg für Naoko Takahashi – Japan
jubelt
"5" />Der erste Marathonsieg für die japanischen Frauen – Japan
jubelt und vergöttert die zierliche Siegerin Naoko Takahashi. Es war ein
knapper Sieg für die Japanerin mit nur acht Sekunden Vorsprung vor der
Rumänin Lidia Simon, die vier Jahre vorher in Atlanta Sechste wurde.
Dritte wurde Joyce Chepchumba aus Kenia, die 1997 den London-Marathon und 1999
und 2000 den BERLINER HALBMARATHON gewonnen hat.
Takahashi legte durch ihren Sieg in Sydney und ihren Weltrekord ein Jahr
später in Berlin den Grundstein zu einer ungeahnten Popularität im
marathonverrückten Japan.
Sonja Krolik belegte in Sydney den 24. Platz in 2:33:45 – Claudia Dreher
trat nicht an.
Finale:
1. Naoko Takahashi (JPN) 2:23:14 – 2. Lidia Simon (ROM) 2:23:22 –
3. Joyce Chepchumba (KEN) 2:24:45 - ... ... 24. Sonja Oberem 2:33:45
Im Gegensatz zu den Männern ist die olympische Vergangenheit der Frauen
beim Marathon noch sehr kurz. Eine Bewertung fällt deswegen im
internationalen, wie auch im nationalen Rahmen, schwer.
Die Frauen haben viel nachzuholen, aber sie sind auf dem besten Wege das zu
schaffen, zumindest was die bisherige numerische Überlegenheit der
Beteiligung der Männer an Marathonläufen angeht, sie einzuholen und
sie sogar zu überholen, was die neuesten Erhebungen aus den USA
ergeben.
Lang war der Weg von Atalante, über Melpomene bis zu Kathrin Switzer und
zu den Spielen von Los Angeles 1984.
Schneller geht es, wie die Entwicklung des Weltrekordes bei den Frauen zeigt
von den 3:40:22 von Violet Percy (GBR) in London vom 3. Oktober 1926 bis zum
Durchbrechen der Schallmauer auf 2:19:46 von Naoko Takahashi (JPN) in Berlin am
30. September 2001 und zu den jetzt phänomenalen 2:15:25 von Paula
Radcliffe (GBR) in London am 13. April 2003 zeigt.
Es wird es bei den Frauen im Marathon stürmisch weitergehen. Die deutschen
Frauen werden es aber, wie auch in allen anderen Laufwettbewerben, in Zukunft
nicht leichter haben im internationalen Konzert mit „die erste Geige
– oder überhaupt vielleicht nur noch die zweite Geige“ zu
spielen.
Für Athen 2004 bleibt kritisch anzumerken, daß die
zweifache Marathon-Athen Siegerin Sonja Krolik, hitzeerfahren und kampferprobt
wie sie ist, vom NOK nicht nominiert wurde. Das wird die deutschen Chancen auf
eine gute Plazierung auf ein Minimum sinken lassen.
Aber auch hier bleibt dann die Hoffnung für die Zukunft auf die hehre
olympische Ungewissheit – und damit auf alle Überraschungen, die der
Sport immer noch bietet.
Horst Milde
Interessante Hinweise und Ergänzungen zu der großen olympische
Vergangenheit des behandelten Themas können hierin geschickt
werden:
info@berlin-marathon.com
800m der Frauen (Olympia historisch I):
www.berlin-marathon.com/news/show/002083
1500 der Männer(Olympia historisch II):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002108
800 m der Männer (Olympia historisch III):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002126
1500 m der Frauen (Olympia historisch IV):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002143
5000 m der Frauen (Olympia historisch V):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002169
5000 m der Männer (Olympia historisch VI):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002199
10.000 m der Frauen (Olympia historisch VII)http:
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002215
10.000 m der Männer (Olympia historisch VIII):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002237
3000 m Hindernis der Männer (Olympia historisch IX):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002267