In gut zwei Monaten beginnen die Olympischen Spiele in Athen. Bis dahin wird
hier wöchentlich eine der elf Laufdisziplinen vorgestellt sowie dazu ein
Favorit für olympisches Gold.
In dieser neuen Serie geht es jedoch um die Historie – um die
medaillenreiche Vergangenheit der deutschen Leichtathletinnen und Leichathleten
aus West (FRG) und Ost (GDR).Während die Vergangenheit der deutschen
Leichtathletik bei Olympischen Spielen doch sehr erfolgreich war, ist nach der
WM 2003 nicht allzu viel in Athen zu erwarten. Umso mehr erscheint es
angebracht sich der Erfolge und der großen Leistungen der Deutschen
insgesamt zu erinnern und sich deren Namen zu erinnern sowie deren Einsatz zu
würdigen.
Es geht heute los mit den 800 Metern der Frauen.
Zu der wöchentlichen Laufserie im Hinblick auf Athen 2004 soll in lockerer
Folge auch die Olympia-„Erinnerungs-Laufserie“ folgen – aus
Respekt vor den großen Leistungen und zur Nachahmung empfohlen.
800 m – die Strecke der deutschen Frauen: Erste Goldmedaille
für Deutschland seit Beginn der Olympischen Spiele
Die 800 m erscheinen rückblickend als eine der erfolgreichsten
Disziplinen der deutschen Frauen bei Olympischen Spielen. Drei Goldmedaillen
seit 1928 sind eine stolze Ausbeute.
Amsterdam 1928
„Der 2. August 1928 in Amsterdam ist ein historisches Datum für die
deutsche Leichtathletik. An diesem Tag wurde endlich jener Bann gebrochen,
gegen den die deutschen Männer vergeblich angekämpft hatten. Lina
Radke-Batschauer (geb. am 8. Oktober 1903 in Karlsruhe) gewann im 800-m-Lauf
die erste Goldmedaille für Deutschland seit Beginn der Olympischen
Spiele“ schreibt Ekkehard zur Megede in seinem Buch „Die Geschichte
der olympischen Leichathletik“, Band 1, 1896 – 1936.
Lina Radke-Batschauer war nicht die Favoritin für den Endlauf in
Amsterdam, obwohl sie mit 2:23,7 Minuten am 7. August 1927 in Breslau einen
neuen Weltrekord aufgestellt hatte. Etwas besser war die Zeit der
Engländerin Edith Trickey, die über 880 Yards in 2:24,0 gelaufen war
(1. August 1925 in London).
Im Endlauf zog Radke-Batschauer 300 m vor dem Ziel einen Spurt an, den sie
durchhielt und der ihr die Goldmedaille brachte und zusätzlich noch einen
sensationellen Weltrekord in 2:16,8. Auf dem 7. Platz kam als weitere deutsche
Läuferin Marie Dollinger in 2:23,0 ins Ziel, die später noch eine
Karriere als erfolgreiche Sprinterin hatte. Neunte wurde Elfriede Wever (ohne
Zeit).
Im Jahr 1928 waren die 800 m für Frauen völlig neu, so dass Kritiker
sofort einwandten, die Frauen würden sich völlig übernehmen, da
sie nach dem Zielleinlauf völlig erschöpft ins Gras sanken. Die 800 m
der Frauen wurden deswegen bis 1956 wieder aus dem olympischen Programm
völlig gestrichen.
Erst 32 Jahren wieder 800 m der Frauen in Rom
1960
In Rom trat zum ersten Mal eine gesamtdeutsche Mannschaft des DLV (Deutscher
Leichtathletik-Verband) und des DVfL (Deutscher Verband für Leichathletik
der DDR) an. Es gab im Vorfeld knallharte Ausscheidungen in Hannover und
Erfurt.
Der Weltrekord hatte sich von den 2:16,8 im Jahr 1928 von Radke-Batschauer
gewaltig auf 2:04,3 von Ludmilla Lyssenko-Scherzowa (UdSSR - in Moskau am
3.07.1960) verbessert. Drei deutsche Läuferinnen waren am 7. September im
Endlauf in Rom: Ursula Donath, Vera Kummerfeldt und Antje Gleichfeld.
Die Russin Scherzowa gewann und egalisierte ihren eigenen Weltrekord von 2:04,3
vor Brenda Jones (Australien) in 2:04,4 und die Bronzemedaille gewann
überraschend Ursula Donath in 2:05,6, wobei ihr zu Hilfe kam, dass Dixie
Willis (Australien) stürzte und Vera Kummerfeldt zu spät ihren Spurt
ansetze. Vierte wurde Vera Kummerfeldt in 2:05,6 vor Antje Gleichfeld in 2:06,5
– ein großer Erfolg für den Mittelstreckenlauf der deutschen
Frauen.
Wieder fünfter Platz für Antje Gleichfeld in Tokio
1964
Antje Gleichfeld, zweifache Mutter aus Hamburg, brachte das Kunststück
fertig wieder in einem olympischen Endlauf zu stehen und wiederum Fünfte
zu werden. Dabei verbesserte sie zweimal den deutschen Rekord von Waltraud
Kaufmann auf zunächst 2:04,6 im Zwischenlauf und im Finale auf 2:03,9.
Siegerin war Ann Packer (GBR) in 2:01,1 (neuer Weltrekord) vor Maryvonne
Dupureur (FRA) 2:01,9 und Marise Chamberlain (NZL) in 2:02,8.
„Dies war der schönste Tag der Olympiasiegerin Hildegard
Falck“
so überschrieb das Fachmagazin LEICHTATHLETIK v. 14. September 1972 den
Sieg von Hildegard Falck, (geb 8.06.1949) im 800 m Endlauf in München
1972. Im Stadion in München war beste Stimmung, die Deutschen hatten
Medaillen gewonnen, Klaus Wolfermann im Speerwerfen, Heide Rosendahl wurde
Zweite im 200 m Lauf, Bernd Kannenberg hatte im 50 km Gehen die Nase vorn:
Brachte der 800 m Lauf weiteres Gold ?
Zwei deutsche Läuferinnen standen im Endlauf: Hildegard Falck (VfL
Wolfsburg) und Gunhild Hoffmeister (6.07.1944 in Forst/SC Cottbus, Trainer
Werner Janke) – ausgeschieden waren in den Zwischenläufen Sylvia
Schenk mit 2:01,5 und Gisela Ellen-berger mit 2:03,0.
Vor dem Endlauf am 3. September 1972 um 18.00 Uhr gab es Unruhe, weil man
wegen der Ankunft der Geher den Start möglicherweise verschieben wollte,
doch dann blieb es beim Zeitplan. Die 400 m wurden in 58,31 zurückgelegt,
vorne liefen Zlateva, Nikolic und Silai, Falck hielt sich an Hoffmeister. Kurz
vor der Zielgeraden lief Hildegard Falck auf Bahn 2 bis 3 und trat dann an, das
brachte ihr die Führung mit vier bis 5 Metern Vorsprung, aber jetzt kam
auch Niele Sabaite (UdSSR) mächtig auf. Auf den letzten zwanzig Metern
konnte Falck noch einmal steigern und mit ei-nem Meter Vorsprung gewinnen.
LEICHTAHTLETIK schrieb: „Eine Olympiasiegerin, wie sie im Buche steht:
läuferisch stark, auf Tempowechsel vorbereitet, kämpferisch hart, in
taktischer Beziehung klug; die Goldmedaille fiel einer ihrer Würdigen
zu."
Gold: Hildegard Falck 1:58,6 (OR) - 2. Niele Sabaite (UdSSR) 1:58, 7 und die
Bronzemedaille ging an Gunhild Hoffmeister 1:59,2
Montreal 1976 mit Bronzemedaille durch Elfi Zinn
Im olympischen Endlauf in Montreal 1976 waren wieder einmal drei deutsche
Frauen vertreten. Elfi Zinn, geb. Rost –(geb. 24.08.1953 in Rathebur
– SC Neubrandenburg – Trainer Walter Gladrow) wurde Dritte in
1:55,60 (neuer DDR Rekord). Siegerin war Tatyana Kazankina (UdSSR) in 1:54,94
(WR) – Vierte: Anita Weiss in 1:55,74 - 7. Doris Gluth 1:58,99
Moskau 1980
4. Martina Kampfert 1:56,21, 5. Hildegard Ullrich 1:57,20
1. Nadiya Olizarenko (SOV)1:53,43 (WR) - 2. Olga Mineyava (SOV) 1:54,81
3.Tatyana Providokina (SOV) 1:55,46
Los Angeles 1984
7. Margrit Klinger 2:00,65
1. Doine Melinte (ROM) 1:57,60 - 2. Kim Gallagher (USA) 1:58,63 - 3. Fita Lovin
(ROM) 1:58,83
Seoul 1988 Gold und Silber durch Wodars und Wachtel
„In 56,43 durchlief Christine Wachtel (geb. 6.01.1965 in Altentreptow /
SC Neubrandenburg – Trainer Walter Gladrow) im olympischen 800-m-Finale
die ersten 400 m, und damit hatte sie einigen der Endlaufteilnehmerinnen schon
den Schneid abgekauft. Mit Sigrun Wodars (geb. 7.11.1965 in Neu-Kaliß /
SC Neubrandenburg – Trainer Walter Gladrow) im Schlepp entwickelte sich
das Rennen genau nach der Machart der beiden Neubrandenburgerinnen“ so
schrieb LEICHTATHLETIK.
„Der Ausgang des olympischen Endlaufs auf Platz eins und zwei entspricht
dem vorjährigen WM-Finale in Rom, wo auch Sigrun Wodars zuletzt die
Stärkere war.“
Gold für Sigrun Wodars 1:56,10 - 2. Christine Wachtel 1:56,64 – 3.
Kim Gallagher (USA) 1:56,91
Die Vergangenheit ist bei den deutschen Frauen im 800 m Lauf durchaus ein
Aushängeschild gewesen – aber seit 1988 sind viele Jahre ohne
weitere große Erfolge vergangen. Freuen wir uns über eine
große läuferische Vergangenheit – und schauen trotzdem in eine
optimistische Zukunft.
Frauen sind ja immer für große Überraschungen gut!
Horst Milde
Interessante Hinweise und Ergänzungen zu der großen olympische
Vergangenheit des behandelten Themas können hierin geschickt
werden:
info@berlin-marathon.com