Und eine weitere wichtige Frage kann in Berlin gelöst werden: Wie
gut sind die deutschen Männer?
Ganz entspannt traf Sonja Oberem am Mittwoch im Athletenhotel in
Siemensstadt ein. „Nach zehn Jahren möchte ich in Berlin wieder
einen richtigen Marathon laufen“, gestand die Leverkusenerin. Vor zwei
Jahren hatte zwar Sonja Oberem „aus Trainingsgründen“ die
42,195 km unter ihre Füße genommen, unterwegs noch Interviews dem
ARD-Reporterteam gegeben, und als Drittbeste der deutschen Läuferinnen in
einer 2:40er Endzeit sogar ins Ziel gekommen, ohne jedoch für die zugleich
ausgetragenen deutschen Meisterschaften gewertet werden zu können, weil
sie schlichtweg nicht gemeldet war. Dies alles im Vorfeld ihres Marathonstarts
im japanischen Osaka.
Großer Druck
Doch auf Sonja Oberem lastet bei der 31. Auflage des real,-BERLIN-MARATHON am
kommenden Sonntag großer Druck. Schließlich hatte sie nach einer
Verletzungspause und den in Wien erreichten 2:30:58 Stunden vom Nationalen
Olympischen Komitee (NOK)einen Olympiastart eingefordert, sich jedoch bei den
Sportfunktionären eine Abfuhr eingehandelt.
Der Frust ist bei Sonja Oberem am Ende ihrer langen und erfolgreichen Karriere
erheblich, schließlich hatte sie sich in Athen angesichts der
außergewöhnlichen Bedingungen durchaus einiges ausgerechnet. Doch
Sonja hat sich inzwischen von dieser Riesenenttäuschung erholt, wieder
Hoffnungen geschöpft, intensiv weiter trainiert und mit Race Director Mark
Milde handelseinig für einen Start Ende September geworden.
Kann die Leverkusenerin unter 2:26 Stunden laufen?
Wie schnell wird die seit Jahren bei internationalen Meisterschaften stets
unter den „top ten“ platzierte Sonja Oberem am Sonntag laufen? Die
von ihr gehaltene DLV-Jahresbestzeit von 2:30:58 Stunden sollte kein Problem
sein, ob sie allerdings an ihren Hausrekord von 2:26:13 heran laufen wird, den
sie vor bei ihrem Sieg in Hamburg vor drei Jahren gelaufen war, ist freilich
eine andere Frage. Doch Sonja Oberem ist eine äußerst
zuverlässige Läuferin, die allerdings noch nie auf Rekordjagd
gegangen ist. Nämlich das ist eher nicht der Stil der von dem
früheren Mittelstreckenass Paul-Heinz Wellmann trainierten früheren
Triathletin.
Abschiedslauf für Kathrin Weßel
Doch Sonja Oberem ist nicht die einzige der deutschen Elite, die das Feld nicht
kampflos den Shibui, Ominami, Omwanza und Co. Überlassen möchte. Da
ist die 23jährige Romy Spitzmüller, die sich mit ihrem starken
Auftritt Anfang April in Bonn mit 2:32:23 Stunden sogar auf das
Nominierungskarussell für Athen brachte.
Doch der Hoffnungsträgerbonus kam bei den DLV-Verantwortlichen nicht an.
Aber egal wie man es drehen und wenden möchte, hier wächst mit der
Leipzigerin ein Langstreckentalent in die nationale Spitze hinein, die einmal
in die Fußstapfen einer Sonja Oberem oder der in Abschiedsstimmung
befindlichen Katrin Dörre-Heinig und Kathrin Weßel treten kann.
Apropos Kathrin Weßel. Die Potsdamerin im Trikot des SC Charlottenburg
wird auf Berlins Straßen definitiv ihren letzten Marathonlauf bestreiten.
Einen „zum Genießen“, wie es die 37jährige
formulierte.
Die vierte namhafte Läuferin der nationalen Elite ist die inzwischen
für die TSG Heilbronn startende Manuela Zipse, die sich ihr Comeback nach
der Babypause erheblich besser vorgestellt hatte als es die 2:36:51 Stunden von
Hamburg auf dem Papier aufzeigen. Schließlich hat die Freiburgerin mit
2:30:58 eine klasse Bestmarke aufzuweisen.
Bescheidene Ziele bei den deutschen Männern
Während bei den Frauen mit Ausnahme der für Frankfurt aversierten
Luminita Zaituc, der beim Olympiamarathon aufgegebenen Rostockerin Ulrike
Maisch und der vor zwei Wochen als Siegerin beim Köln-Marathon gefeierten
Claudia Dreher die deutsche Spitze startet, ist dies bei den Männern
ungleich anders. Während bei den Frauen der Deutsche
Leichtathletik-Verband leistungsmäßig international noch eine gute
Rolle spielt, haben sich die deutschen Männer von der internationalen
Klasse verabschiedet.
Stephan Freigang mit 2:14:02
Die DLV-Jahresbestzeit hält der frühere Olympiadritte Stephan
Freigang mit indiskutablen 2:14:02 Stunden. Eine Zeit, die Carsten Schütz
bei seinem Marathondebüt im Vorjahr in Essen mit 2:14:58 schon fast
erreichte. Wie stark ist der Wattenscheider nun in diesem Herbst auf dem
schnellen Berliner Asphalt? Adäquate Leistungen fehlen freilich in dieser
Saison. Dies gilt nicht für Martin Beckmann, der sich auf der
Halbmarathondistanz verbessern konnte und in Hamburg jedoch an seiner
großen Erwartungshaltung zerbrochen war.
Beckmann und Schütz
Sowohl Schütz als auch Beckmann haben durchaus das läuferische
Vermögen, in Berlin ein neues Saisonmaß zu setzen. Dafür hat
man beim Veranstalter allerdings gesorgt, denn die „deutsche
Gruppe“ wird neben den Bemühungen um schnelle Endzeiten bei den
Topläufern wie Felix Limo, Raymond Kipkoech, Fred Kiprop, Wilson Onsare
und Co. Auch mit eigenen Tempomachern versorgt sein. Diesen Part wird unter
anderem der der Wattenscheider Alexander Lubina übernehmen, der vor
Wochenfrist in Bad Liebenzell hinter Carsten Eich (Braunschweig) deutscher
Vizemeister über die 10 km-Distanz geworden war.
Wilfried Raatz