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Die 12. IAAF Weltmeisterschaften der Leichtathletik in Berlin 2009 – Interview mit Heiner Henze (Teil 2)

Seit Beginn der Bewerbung Berlins um die Austragung der Weltmeisterschaften der Leichtathletik 2009 hat sich der real,- BERLIN-MARATHON auch dafür engagiert - ist doch der MARATHON selbst einer der stärksten Werbefaktoren für diese Bewerbung gewesen.

Seit dem Zuschlag der IAAF für Berlin in Helsinki wurde auf der website des MARATHON schon vielfach auf die WM 2009 mit vielerlei Themen hingewiesen – im Vormonat begannen wir unsere Serie mit der Vorstellung von Heinrich Clausen, dem hauptamtlichen Event Manager des Berlin Organising Committee 2009 GmbH (BOC 2009) - , dieser ist inzwischen schon am Olympiastadion  beheimatet.

Mit Heiner Henze, dem Schatzmeister des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und ehrenamtlich tätigen Geschäftsführers des BOC 2009 führen wir die Serie fort.

Gerade unter dem Eindruck der  FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland und der damit einhergehenden Euphorie und Begeisterung aller Gesellschaftsschichten steht dieses Interview.

Kann die WM der Fußballer 2006 ein Muster und Beispiel für die Leichtathletik WM 2009 sein?

Die Fußballer haben mit ihren Aktivitäten für die WM weltweit derartig viel in Bewegung gesetzt, dass man nur neidlos staunen – und gratulieren muss.


Die Leichtathleten brauchen also das „Rad nicht neu zu erfinden“ für ihre IAAF WM 2009 – der Fußball hat das für sie schon getan.

Kann die Leichtathletik da überhaupt mithalten und die Chancen nutzen, die ihr möglicherweise ähnlich gegeben sind wie dem Fußball?

Diesen Fragen stellt sich im folgenden Interview Heiner Henze


Heiner Henze (65 Jahre jung) war für den DLV 1973 bis 1989 und für das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) 1994 bis 2003 hauptamtlich als Generalsekretär tätig. Er hat in führender Position zum Erfolg des ersten Leichtathletik-Weltcups 1977 in Düsseldorf, derLeichtathletik-Europameisterschaften 1986 in Stuttgart und vieler Europacup-Veranstaltungen in Deutschland beigetragen. Sein Wissen sowie seine weltläufige und gewandte Art  haben ihn zu einem herausragenden und international anerkannten Fachmann des Sports gemacht. In vielen einflussreichen, internationalen Gremien der IAAF, der EAA und der Vereinigung der europäischen NOKs (EOC) sowie des internationalen Studentensportverbandes (FISU) hat er als Berater, als Organisations- und Technischer Delegierter sowie als Generalsekretär (EAA)  mitgewirkt.


 

Herr Henze,

das Berliner Olympiastadion glänzt frisch herausgeputzt – im Vergleich mit dem Stadion der WM in Helsinki 2005 ist das Stadion ja ein Juwel. Insofern ist ein ganz wichtiger Punkt schon für die WM-Organisatoren „abgearbeitet“. Das Datum der WM vom 15. bis 23. August 2009 steht schon lange fest – es könnte eigentlich losgehen.

Was tut sich hinter den Kulissen der deutschen Organisatoren für die IAAF WM 2009 in Berlin?


Heiner Henze:

Nach der Vergabe der Veranstaltung nach Berlin mussten zunächst die formalen Voraussetzungen für die Vorbereitung und Durchführung geschaffen werden. Auf der Grundlage des unmittelbar bei der Vergabe abgeschlossenen Veranstaltungsvertrages zwischen der IAAF und ihrer Marketingagentur Dentsu einerseits und dem Land Berlin als Gastgeber und dem DLV als dem gastgebenden nationalen Leichtathletik-Verband andererseits mussten Inhalte und Form der Zusammenarbeit der Gastgeber vertraglich festgelegt werden.

Das Organisationskomitee wurde – aus haftungsrechtlichen Gründen – in der Form einer GmbH gegründet und mit den ersten hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgestattet. Der Masterplan mit allen Aufgaben und zeitlichen Ablaufvorgaben sowie  der Wirtschaftsplan 2005 bis 2009 mit der Personalplanung wurden erstellt. Erste Informationsgespräche mit Vertretern der IAAF und Dentsu wurden geführt, um die Grundvorstellungen abzustimmen.


Z. Zt. bearbeiten wir mit Nachdruck die Umsetzung der Bewerbungsvorgaben, so z. B. für die Wettkämpfe, das Training, die Unterbringung, den Transport, den IAAF Kongress, den Eintrittskartenverkauf, die Vermarktung der nationalen Sponsoringrechte u. v. a. in Verträge. Hierzu gehört auch das Olympiastadion. Natürlich ist dies heute schon ein Schmuckstück, aber auch dieses muss in jeder Hinsicht eingehend auf seine WM-Tauglichkeit im Jahr 2009 geprüft werden.


Es sind noch  3 Jahre und 2 Monate bis zu den 12. IAAF Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Berlin 2009 – eine relativ lange Zeit, aber auch wieder kurz genug, wenn man an die Herkules-Arbeit denkt, die den Verantwortlichen bevorsteht.

Die Fußball-WM in Deutschland beginnt gerade. Es gibt eigentlich kein anderes Thema mehr in der Öffentlichkeit, in der Politik und in den Medien als den Fußball, d. h. den Sport insgesamt… .

Können sich die Leichtathleten freuen, über diese Sportbegeisterung, die die Welt- und die deutsche Bevölkerung erfasst hat? Kann die Leichtathletik die „gleichen Funken“ erzeugen an Begeisterung – und ist es vorbildhaft für die IAAF, den DLV und Berlin?  


Heiner Henze:

Ich bin sicher, dass sich alle Leichtathleten in Deutschland in die Begeisterung für die Fußball-WM im eigenen Lande einbeziehen lassen und sowohl die Spiele insgesamt als insbesondere natürlich auch die Spiele der eigenen Mannschaft mit großer Anteilnahme verfolgen. Fußball ist nun einmal die  Sportart Nummer eins in Deutschland. Dies zeigen gerade die Vertreterinnen und Vertreter aller politischen Gremien der Legislative und der Exekutive in Bund. Ländern und Kommunen sowie der Wirtschaft.  

Fußball ist – und nicht nur aber gerade während einer WM im eigenen Lande – eine „andere Welt“ als die des sonstigen Sports.


Die Organisatoren müssen mit den Leichtathletik-WM an „nur“ einem Ort in Deutschland, nämlich in Berlin, in „nur“ 9 Tagen die bedeutendste Veranstaltung dieser Sportart auf Weltebene mit über 40 Disziplinen in Vor-, Zwischen- und Finalwettbewerben in zweiteiligen, mehrstündigen Wettkampftagen umsetzen. Sie werden einen festlichen und stimmungsvollen Rahmen für die besten Athletinnen und Athleten sowie die Zuschauer in Berlin schaffen. Vorbild hierfür können nur vergleichbare Veranstaltungen der Leichtathletik sein, so vor allem die vorhergehenden Weltmeisterschaften und nicht zuletzt die WM 1993 in Stuttgart.

Berlin 2009 wird aus der Sicht der Organisatoren einen Funkenschlag für die Entwicklung der Welt-Leichtathletik darstellen und – das streben der DLV und seine Landesverbände insbesondere in Berlin und Brandenburg mit aller verfügbaren Kraft an – einen Flächenbrand in der deutschen und der internationalen Leichtathletik und ihrem Publikum auszulösen.

 

Berlin hat es nach mehreren vergeblichen Anläufen geschafft, die Weltmeisterschaften der Leichtathleten austragen zu dürfen. Berlin hat eine große Leichtathletik-Tradition und Vergangenheit. Der DLV wurde hier 1898 gegründet und auch der Internationale Leichtathletik Verband IAAF hat seinen ersten offiziellen Kongress mit Satzungsbeschluss und Wahlen 1913 (offizielle Konstituierung)  in Berlin abgehalten.

Der real-, - BERLIN-MARATHON, der Vattenfall BERLINER HALBMARATHON und das ISTAF sind mit ihren jährlichen Weltklasse-Ergebnissen die Aushängeschilder der Leichtathletik in Berlin und Deutschland.

Insofern erwarten die IAAF und die Leichtathletik-Welt sicherlich von Deutschland und Berlin etwas Besonderes – kann der DLV diese Erwartungen auch erfüllen?


Heiner Henze:

Der DLV und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine große Erfahrung in der Ausrichtung erfolgreicher, großer internationaler und europäischer  Veranstaltungen. Er hat im Berliner Abgeordnetenhaus, mit dem Regierenden Bürgermeister und der Senatsverwaltung des Landes Berlin, den Leichtathletik-Landesverbänden, an der Spitze natürlich Berlin, und den bereits erwähnten Organisatoren der traditionellen, internationalen Veranstaltungen in Berlin erfahrene und bewährte Partner.  Mit vereinten Kräften und der bereits zugesagten Unterstützung des Bundestages und der Bundesregierung sowie der Bevölkerung wird die Veranstaltung zu einem großer Erfolg für die Welt-Leichtathletik, die Ausrichterstadt Berlin und die deutsche Leichtathletik werden.


 

Der DLV hat die EM 1986 und 1993 die WM in Stuttgart wie auch die EM 2002 in München organisatorisch hervorragend gemeistert – kann/konnte man die großen Erfahrungen hinüber retten und für Berlin 2009 noch weiter ausbauen?



Heiner Henze:

Der DLV hat wie aus der Zusammensetzung der Gremien der BOC 2009 GmbH zu sehen ist, seine international erfahrenen und erfolgreichen Organisatoren wieder für Berlin 2009 benannt, die sich in den anstehenden internationalen Veranstaltungen fortbilden und auf den neuesten Stand der organisatorischen und technischen Anforderungen bringen lassen werden. Darüber hinaus wird jedoch die Veranstaltung als Herausforderung für die Ausbildung und  Heranführung neuer Kräfte im Organisations- und Kampfrichterbereich genutzt werden, um auch über Berlin 2009 hinaus internationale Großveranstaltungen durchführen zu können.


 

In unguter Erinnerung in der Fachwelt sind die Cross Europameisterschaften 2004 in Heringsdorf – hier wusste man im Nachbardorf der Insel noch nicht einmal, dass sich die besten Läufer Europas hier treffen. Der örtliche Organisator „stand allein im Regen“. Können Sie ausschließen, dass sich eine derartige Situation wiederholt?



Heiner Henze:

Rückschläge dienen – so schmerzlich zunächst die Erfahrung ist – bei intensiver Analyse und entsprechenden Rückschlüssen der Verbesserung der Arbeit. Wir haben bereits eine Promotion-Agentur, die uns auch bei der Bewerbung ausgezeichnet unterstützt hat, zunächst für 2006 gewonnen. Nach dem Abklingen der Fußball-WM werden wir mit geeigneten Werbemaßnahmen beginnen und diese dann Jahr für Jahr national und international ausbauen.


 

Die FIFA hat derzeit 207 Verbände weltweit als Mitglieder – in Deutschland spielen jetzt 32 Verbände an zwölf  Spielorten. Die IAAF hat eine ähnlich hohe Mitgliederzahl – sogar etwas höher. Die Leichtathletik ist eine Weltsportart und die IAAF-Weltmeisterschaften sind nach den Olympischen Spielen und der Fußball-Weltmeisterschaft in der Bedeutung das drittwichtigste Sportereignis der Welt.

Sind die Leichtathleten in der Lage, eine auch nur annähernd große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wenn man die derzeitige Fußball-Euphorie als Maßstab nimmt (wobei man manches schon als Hysterie bezeichnen kann?)



Heiner Henze:

Ich habe bereits oben darauf hingewiesen: Fußball eignet sich nur sehr bedingt als Maßstab für andere Sportarten, so auch für die Leichtathletik. Die Zahl der Mitgliedsverbände ist wie gesagt ziemlich gleich. Nimmt man die Zahl der Länder, in die Fernsehrechte verkauft werden, und die Zahl der Zuschauer vor den Fernsehgeräten, wird die Leichathletik-WM erfahrungsgemäß dem Fußball nicht viel nachstehen.

Ansonsten müssen Zuschauerzahlen und öffentliches Interesse auf die oben bereits beschriebene, andersartige Veranstaltungsform realistisch herunter gebrochen werden. Insgesamt wird die Leichtathletik dabei gar nicht so schlecht wegkommen.   


 

André Heller durfte keine Eröffnungsfeier im Olympiastadion zelebrieren – könnte er für die IAAF/DLV, sofern es dafür Sponsoren gäbe, eine Alternative für eine Eröffnungsfeier sein?

Trainierte (und enttäuschte) Helfer für die Feier sind ja in Berlin  noch genügend vorhanden!



Heiner Henze:

Die FIFA und die Organisatoren werden gute Gründe gehabt haben, diese geplante Show nicht umzusetzen. Wir haben für uns beschlossen, eine angemessene, lebendige, kurze Eröffnungsfeier den ersten Wettkämpfen voran zu stellen.

Wir würden uns allerdings freuen, viele der freiwilligen Helfer im Jahr 2009 für uns zu gewinnen.


 

In Berlin gibt es die Fußball-Fan-Meile auf der Straße des 17. Juni – Berlins Magistrale ist für ca. 6 Wochen völlig gesperrt, adidas baut für 10.000 Zuschauer auf dem Vorplatz des Reichstages eine Arena  und zwischen Bundeskanzleramt und dem Paul-Löbe-Haus gibt es „die Bundestagsarena“, eine Informations-Arena des Deutschen Bundestages.

Als Berliner Organisator reibt man sich verwundert die Augen – entweder sind die Berliner Verwaltungen jetzt nach Jahrzehnten des permanenten Druckes des real.- BERLIN MARATHON endlich „weich geklopft“ – oder es wächst in den Köpfen der Beamten auch die Einsicht, dass der Sport nicht nur eine „wichtige Nebensache“, sondern ein Weltereignis ist, dass es zu fördern gilt.

Werden der DLV und die IAAF ähnliche Anforderungen – mit hoffentlich ähnlich spektakulären Ergebnissen wie der Fußball – an die Stadt stellen?



Heiner Henze:

Natürlich wird auch während der Leichtathletik WM 2009 die Stadt Berlin mit in die Leichtathletik-Arena einbezogen. Wenn es gelingt, die IAAF davon zu überzeugen, die Straßenwettbewerbe im Marathonlauf und im Gehen in der Innenstadt durchzuführen, ist dies bereits ein erster Ansatz. Weitere werden folgen. Wir werden zu gegebener Zeit die Senatsverwaltung Berlins und den Deutschen Bundestag an ihren Beitrag zur Fußball-WM 2006 erinnern. Einen wichtigen Beitrag zur Einbeziehung des Publikums in die Veranstaltung werden wir im Vorfeld des Stadions leisten, das einen öffentlichen „Marktplatz“ beherbergen soll.


 

Selbstverständlich ist die Frage nach dem Logo der WM 2009, Sonderbriefmarken, Münzen, dem WM-Maskottchen, wie dem Goleo der Fußball WM 2006, dem Spruch „Die Welt zu Gast bei Freunden“, der Mitarbeit der Regierung und der Kanzlerin, der Ministerien und der Botschaften und der politischen Parteien.  Ist das ein Thema für das OK – oder läuft hier ein formaler Automatismus ab für dieses wichtige „Rahmenprogramm“, da es in Deutschland ständig Weltmeisterschaften – mit größerer oder kleinerer Bedeutung gibt.



Heiner Henze:

Weltmeisterschaften in Deutschland – in welcher Sportart auch immer – sind immer ein wichtiges Thema aller der in der Frage genannten Kreise. Dies schließt jedoch nicht aus, dass jedes Organisationskomitee seine fachspezifischen Herausforderungen mit den jeweils zuständigen Stellen bespricht und den notwendigen Grad der Zusammenarbeit definiert.

Die Gespräche mit dem Bundestag, den Bundesparteien und der Bundesregierung sind eingeleitet und werden intensiv nach der Fußball WM aufgenommen.


Das Emblem ist bereits in der Phase der  internationalen Markeneintragung. Es wird im Herbst dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt. Sonderbriefmarken sind in der Verhandlung mit dem Bundesministerium der Finanzen und der Stiftung Deutsche Sporthilfe, die hier auch und insbesondere von der Leichtathletik unterstützte Sonderrechte für Sportmotive hat.

Maskottchen und ein Motto werden rechtzeitig entwickelt und vorgestellt.


 

Franz Beckenbauer – die Fußball-Lichtgestalt aus München – ist praktisch z. Zt. der „amtierende Außenminister“ Deutschlands mit einer unglaublichen Popularität. Uns (den Leichtathleten) fehlt ein derartiger Mann oder Frau als Welt-Botschafter in unserer Sportart – haben Sie an derartige Aktivitäten „außenpolitisch“ auch angedacht oder anders ausgedrückt, wie will man die „Welt der Leichtathletik“ nach Berlin holen – außer mit der formellen Einladung der IAAF?

In Berlin wurden z. B. Botschafter aller akkreditierten Länder mit in die werblichen Vorbereitungen des Fußballs eingeschlossen.



Heiner Henze:

Bei aller Wertschätzung der Person Beckenbauers seiner Verdienste um den deutschen Fußball sowie die WM 2006 und seiner in der Tat unglaublichen Popularität sollte man doch Politik und Sport trennen. Berlin hat bereits im Rahmen der Bewerbung sehr erfolgreich mit sportlichen Botschaftern, weltbekannten Athletinnen und Athleten aus der Leichtathletik gearbeitet.

Diese Zusammenarbeit mit Heike Drechsler, Frankie Fredericks und anderen wird fortgesetzt.  

Im politischen Bereich werden natürlich in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt die Botschafter der beteiligten Länder zu gegebener Zeit und in geeigneter Form in die Promotion-Aktivitäten für die WM 2009 einbezogen werden.


 

Die Leichtathletik in Deutschland hatte schon einmal bessere Zeiten erlebt. Bei den letzten Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen glänzte der DLV in vielen Wettbewerben mit Abwesenheit wegen fehlender Leistungsnachweise der Athleten – oder man hatte die Normen höher angesetzt als die IAAF oder die EAA. Man wollte sich nicht gegenüber der Öffentlichkeit oder den Medien blamieren. Den  jeweiligen Gastgebern tat man mit der Abwesenheit als einer der größten und wichtigsten Leichtathletik-Verbände der Welt keinen Gefallen, den eigenen Athleten auch nicht.

Was will der DLV tun, damit in Berlin die Zuschauer im Stadion und im Fernsehen in allen Disziplinen deutsche Athleten am Start sehen?

Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass der Weltmeisterschafts-Marathon in Berlin mit Hunderttausenden von Zuschauern stattfindet und es ist kein einziger deutscher Läufer wie in Athen 2004 und in Helsinki 2005 am Start?



Heiner Henze:

Über die nationalen Teilnahmekriterien an internationalen Meisterschafts- oder olympischen Wettbewerben lässt sich gut streiten. Der DLV macht es sich allerdings nicht leicht. Gemeinsam mit den Athletensprechern und den Trainervertretern werden die jeweils anzuwendenden sportlichen Kriterien ausgearbeitet und abgestimmt. Es ist ohne Zweifel richtig, dass diese Kriterien für unsere Athletinnen und Athleten bei dem heutigen Leistungsstand z. T. manchmal schwer zu erreichen sind. Aber ist es wirklich für die Betroffenen, für den Verband und auch für Deutschland gute Öffentlichkeitsarbeit, wenn man bei Olympischen Spielen oder  Weltmeisterschaften in den Vorkämpfen frühzeitig ausscheidet oder im Marathonlauf „hinterher läuft“?

Muss man wirklich in allen Disziplinen teilnehmen?


Der DLV wird natürlich verstärkte Anstrengungen unternehmen, mit möglichst vielen deutschen Athletinnen und Athleten 2009 in Berlin anzutreten, entsprechende Programme sind bereits auf den Weg gebracht. Der Berliner Leichtathletik-Verband  hat ein Förderprogramm für seine Spitzenathletinnen und –athleten beschlossen.

Die deutsche Leichtathletik wird alles erdenklich Mögliche tun, um nicht nur viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer an den Start in Berlin zu bringen, sondern darüber hinaus Berlin 2009 auch als Sprungbrett und Motivation für die zukünftige Entwicklung im Spitzen-, aber auch im Breitensport und der Mitgliederzahlen in den Leichtathletik betreibenden Vereinen zu nutzen.


 

In Deutschland gibt es hochklassige Laufveranstaltungen mit glanzvollen Leistungen, aber die deutschen Läufer sind z. Zt. leider nur drittklassig. Spätestens seit der Vergabe der WM nach Berlin in Helsinki 2004 hätte es doch wohl seitens des Verbandes Aktivitäten geben müssen, wie dieser Diskrepanz zu begegnen ist.

Was ist passiert – oder ist überhaupt etwas passiert?



Heiner Henze:

Dies ist eine Frage, die zu beantworten der DLV, die Vereine, die Trainer und letztlich auch die Aktiven aufgerufen sind. Der DLV hat – wie oben bereits gesagt – seine Leistungsförderung der nächsten Jahre ganz auf Berlin 2009 abgestellt. Ohne die Mitwirkung der Vereine, der Trainer und letztendlich der Athletinnen und Athleten wird dies aber nicht gelingen. Jeder weiß heute, wie schwer und wie lang der Weg von der U 19 über die U 23 zum Weltklasse-Athleten ist.

Wunder können nicht erwartet werden.


 

Die WM 2009 Berlin sollte schon weit im Vorfeld auch die Jugend für die Leichtathletik begeistern und wieder in die Vereine bringen. Erst recht nach der WM muss die Leichtathletik in Deutschland wieder den alten erfolgreichen Stellenwert haben.

Die Fußballvereine in Deutschland verzeichnen durch die WM 2006 schon jetzt ein Ansteigen ihrer schon immer hohen Mitgliedszahlen. Was gedenkt der DLV zu tun, die Landesverbände und die Vereine schnellstens mit ins Boot zu nehmen, um die WM 2009 zu einer „gemeinsamen Sache“ zu machen?



Heiner Henze:

Die Beratungen in den Gremien des DLV und den gemeinsamen mit den Landesverbänden sind in Gang gesetzt. Auf die Zielrichtung ist bereits eben eingegangen worden.


 

Die German Road Races (GRR), die Vereinigung der größten deutschen Laufveranstalter, und German Meetings (GM), die Vereinigung der deutschen Sportfestveranstalter, haben sich schon zusammen getan, um gemeinsam für die WM 2009 zu werben, sie zu promoten und bei der Bevölkerung dabei um Sympathie zu werben – entspricht das auch Ihren Intentionen und würden Sie das auch fördern?



Heiner Henze:

Dies ist genau die Initialzündung, die wir für das „Feuer WM 2009“ brauchen. Wir werden gerne mit den beiden Vereinigungen zusammen arbeiten, um den Flächenbrand weiter zu tragen in die Vereine und in die Bevölkerung.

Eine weitere Stoßrichtung soll in die Schulen führen.


 

Gibt es Konzepte des DLV, die Bevölkerung von der passiven Zuschauerrolle (wie beim Fußball) in die aktive „Mitmach“-Rolle zu bewegen? Wenn ja, welche?



Heiner Henze:

Hier sehe ich ausnahmsweise nicht nur  Vergleichbarkeit zwischen Fußball und Leichtathletik, sondern sogar einen leichten Vorteil für die Leichtathletik. Die jeweiligen Wettbewerbe selbst eignen sich in beiden Fällen nicht zum Zuschauen.

„Mitmachen“ kann man allerdings im Rahmenprogramm und da bietet die Leichtathletik z. B. mit Sternläufen zur WM 2009 aus dem ganzen Bundesgebiet, mit den geplanten Straßenläufen für jedermann auf der offiziellen Rennstrecke oder möglicherweise auch mit Rahmenwettbewerben für Senioren im Stadion oder ä.m. gute Voraussetzungen.

 


Sind Laufaktivitäten verbandsseitig als Vorauswerbung geplant (in Stadt und Land durch die Vereine und die Landesverbände), um die Marathon-Wettbewerbe möglichst attraktiv für die Zuschauer zu machen? Haben die Vorschläge seitens des BERLIN MARATHON gegenüber der IAAF, die Marathon- und Gehstrecken innerhalb der City von Berlin mit Start und Ziel am Brandenburger Tor zu organisieren, Chancen auf Verwirklichung?



Heiner Henze:

Die Straßenwettbewerbe im Rahmen der WM 2009 bieten eine ausgezeichnete Möglichkeit, die Leichtathletik aus dem Stadion hinaus in die Stadt zu tragen und einen noch größeren Zuschauerkreis über die Stadionbesucher hinaus anzusprechen. An dieser Konzeption wird seitens der BOC und des DLV hart gearbeitet, wir freuen uns mit dem BERLIN-MARATHON eine große Unterstützung gegenüber der IAAF an unserer Seite nicht nur bei der Werbung für die Veranstaltung zu haben, sondern auch bei deren organisatorischer Umsetzung.

Die Vertreter der IAAF haben bisher sehr positiv auf unsere Vorstellungen reagiert.


Die Laufszene in Deutschland wird eine wichtige Rolle bei der Bewerbung der WM 2009 haben. Angedacht wird ein Laufangebot, dass möglichst viele Läufer – aktiv oder passiv –  auf den Weg nach Berlin bringt.


 

Die gleiche Frage betrifft den Vorschlag auf die Einbindung von offenen Läufen für die Jugend und die Bevölkerung vor den Meisterschafts-Marathonläufen – befasst man sich offiziell mit diesem Thema und dessen Realisierung?


Heiner Henze:

Ein WM-Marathon unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht, insbesondere im Hinblick auf die Teilnehmerzahlen von einer Veranstaltung wie dem BERLIN-MARATHON. Dennoch wird es viele Möglichkeiten geben, die WM-Strecke für Rahmenwettbewerbe zu nutzen. Wir freuen uns darauf, diese Möglichkeiten mit der fachkundigen Unterstützung der Organisatoren des BERLIN-MARATHON ausloten zu können.


 

Inwieweit sind finanzielle Mittel und Möglichkeiten vorhanden, außerhalb des Veranstaltungs-Budgets des OKs, Laufwettbewerbe aller Art für Jugendliche und Schüler in den nächsten Jahren vor der WM zu finanzieren und zu organisieren? Gibt es eine Koordination zwischen den Landesverbänden des DLV und den Bundesländern, bzw. den Kultusministerien der Länder, die Leichtathletik und den Laufsport vor der WM zu fördern?



Heiner Henze:

Der Etat des BOC beträgt einen Bruchteil des Budgets der Fußball-WM 2006. Dies begrenzt naturgemäß auch die Möglichkeiten der Promotion der WM 2009. Aber wie ich bereits gesagt habe, die Schulen werden eine besondere Zielrichtung des DLV im Rahmen der nächsten Jahre darstellen. Der Deutsche Leichtathletik-Jugendausschuss des DLV arbeitet bereits heute sehr eng mit den Kultusministerien zusammen, um der Leichtathletik ihren Stellenwert im Schulsport zu erhalten und diesen nach Möglichkeit auszubauen.

Gemeinsam wird z. Z. geplant, wie diese Initiative unter der Zielrichtung WM 2009 in Berlin noch verstärkt werden kann.


 

Die Zahl der Bücher, die gerade zu Fußball-WM auf den Markt kommen, ist unübersehbar, die Zeitungen und Zeitschriften überschlagen sich mit Sonderausgaben, es gibt kein Museum von Rang in Berlin und in Deutschland, welches nicht auf die WM in welcher Form auch immer eingeht. Die Politik und die Parteien, die Wirtschaft, die Kunst und die Kultur, die Literatur, die Musik, der Film, die Universitäten, Forschung und Wissenschaft, die Medizin, die Kirchen – und die Medien mit Presse und Fernsehen sind voll auf das weltweite Phänomen Fußball „eingestiegen“ – der Sport insgesamt kann stolz auf die Bedeutung seiner selbst sein.

Kann die Leichtathletik mit ihrem uralten und historischen „Dreiklang“ Laufen, Springen und Werfen in drei Jahren eine ähnliche Resonanz hervorrufen? Ist der Verband mit seinen professionellen Mitarbeitern für die Organisation – als auch mit den ehrenamtlichen Helfern – dazu überhaupt in der Lage – oder muss man sich einen „braintrust von Dienstleistern“ oder ein separates Kompetenzteam dafür heranziehen?

Der DFB wird diese WM-Erfolgs-Lawine nun auch nicht unbedingt allein „gestemmt“ haben. Gibt es, um Synergien zu erreichen, eine Abstimmung zwischen DFB und DLV – oder wäre es nicht sinnvoll, diese zu schaffen? Gibt es Konzepte, um all die genannten Institutionen auch für die Leichtathletik „einzuspannen“ – und wenn ja, welche?



Heiner Henze:

Der Fußball hat mit der Mobilisierung aller Teile der Bevölkerungen Bewundernswertes geleistet. Aber wie ich bereits am Anfang verdeutlicht habe: Die Leichtathletik ist nicht der Fußball. Wir haben unsere eigenen Maßstäbe zu setzen, die sich an vergleichbaren Veranstaltungen der Leichtathletik orientieren. Dabei werden wir das Optimum des Möglichen anstreben und alle kooperationsbereiten Gremien und insbesondere natürlich die Senatsverwaltung in Berlin und die Bundesregierung mit in die Vorbereitungen einspannen.


Mit dem OK und dem DFB gibt es erste Kontakte insbesondere in Berlin. Wo immer möglich werden wir aus deren Erfahrungen in diesem Jahr lernen und unsere eigenen Planvorstellungen damit vergleichen. Wir werden eine gute Mischung aus Leichtathletik-erfahrenen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DLV, seiner Landesverbände und seiner Vereine einsetzen. Wo immer notwendig werden kompetente Dienstleister unsere Arbeit ergänzen und abrunden.


 

Gibt es, ähnlich wie beim DFB, eine „Kulturstiftung“ des DLV? Diese Institution, zusammen mit der Bundesregierung, hat vieles im Vorfeld der WM in Gang gebracht, von der hochrangigen Ausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin mit Künstlern aus aller Welt bis zur Fußball-Ausstellung im Bundeskanzleramt.

Es gibt das großartige „Kunst- und Kulturprogramm der Bundesregierung zur FIFA WM 2006 – in Zusammenarbeit mit dem OK FIFA WM 2006“ – ist das auf die Leichtathletik übertragbar?



Heiner Henze:

Leider wurde unser Antrag auf Herausgabe von Sondermünzen aus Anlass der WM 2009 bereits vom Bundesfinanzministerium abgelehnt. Es stehen deshalb keine Sondermittel aus Münzgewinnen für die Einrichtung einer solchen Stiftung zur Verfügung. Unabhängig davon werden wir gemeinsam mit dem Land Berlin ein kulturelles Rahmenprogramm schaffen, das einen vergleichbar hohen Stellenwert zu früheren Leichtathletik-WMs haben wird.


 

Bei der WM in Helsinki 2005 warben die Japaner massiv für ihre Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2007 in Osaka. Wird der DLV in Osaka ähnlich für die WM in Deutschland werben?



Heiner Henze:

Natürlich werden die BOC, der DLV und das Land Berlin die einmalige Chance der vorhergehenden WM nutzen, sich darzustellen und intensiv für die WM 2009 zu werben.


 

Die Europameisterschaften 2006 der Leichtathleten finden im August in Göteborg statt. Nimmt man diese Gelegenheit seitens des Verbandes schon als Sprungbrett und als Aufgalopp für die Zukunft wahr, um über Osaka 2007 und Peking 2008 diejenigen deutschen Athleten fit zu machen und aufzubauen, die 2009 in Berlin Deutschland vertreten sollen und als „local heroes“  die Zuschauer ins Stadion locken könnten?



Heiner Henze:

Die Gesamtplanung der Leistungsförderung des DLV ist hierauf abgestellt. Drücken wir die Daumen, dass alle in Frage kommenden Athletinnen und Athleten gesund und leistungsfähig in Berlin 2009 antreten können.


 

Bedarf es wegen einer Weltmeisterschaft im eigenen Land – und den Riesenchancen, die sich daraus für die Sportart ergeben – nicht eines Sinneswandels im Konzept des bisherigen Verantwortlichen – ähnlich wie es Jürgen Klinsmann beim DFB„durchgezogen“ hat – um mit frischem Wind die Athleten, Athletinnen und Trainer des DLV für die WM 2009 zu begeistern und zu motivieren, egal wie das Ergebnis am 9. Juli für Jürgen Klinsmann – oder schon vorher  - aussieht?


Heiner Henze:

Ich glaube, auch hier gibt es einen Unterschied zwischen dem Fußball, in dem eine Mannschaft zusammen geschweißt werden muss, und der Leichtathletik, bei der eine Vielzahl von Individualisten, gleichermaßen Spitzenathletinnen und Spitzenathleten sowie Trainerinnen und Trainer mit den geeigneten Trainingsprogrammen und deren Umsetzung motiviert werden müssen.

Der DLV ist hier gut aufgestellt.


Herr Henze wir danken Ihnen für das ausführliche Interview


Die Fragen wurden vor dem ersten Spiel der WM am 9. Juni 2006 in München gestellt.

Das Interview führte Horst Milde

 

Das Interview mit Heinrich Clausen (Teil 1):

„Wir wollen die Leichtathletik in Berlin als junge,

attraktive, dynamische Sportart präsentieren“

<p">www.scc-events.com/news/news004371.html </p">

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