Die deutsche Leichtathletik ist wieder konkurrenzfähig, wenn es bei
sportpolitischen Entscheidungen zukünftig um die Vergabe internationaler
Hallenmeisterschaften gehen wird. Mit der neuen Arena Leipzig verfügt sie
zum ersten Mal über eine Halle mit sechs Rundbahnen, die Voraussetzung ist
für die Bewerbung um Europa- oder Weltmeisterschaften in der Halle. Gut
4000 Zuschauer sorgten bei der Leichtathletik-Premiere in der Arena für
ein ausverkauftes Haus. Und auch sportlich schlugen sich die Gastgeber achtbar.
Bei der Premiere des Hallen-Europacups der besten Länderteams belegten die
deutschen Mannschaften der Männer und Frauen jeweils den zweiten Platz.
Die erstmals bei einem europäischen Wettbewerb ausgeschriebene
Siegprämie von 50.000 Euro gewannen die spanischen Männer und das
Frauen-Team Russlands.
Ausgerechnet Olympiasieger Nils Schumann (Erfurt) avancierte zum Pechvogel
in der deutschen Mannschaft. Der 800-m-Läufer setzt damit eine
unglückliche Serie fort. Hatte er sich im Wintertraining in Kenia
erkältungsbedingt nicht wie gewünscht auf die Saison vorbereiten
können, verpasste er im Duell mit Rene Herms (Pirna) die Qualifikation
für den Einzelstart beim Hallen-Europacup. Während Herms in
überzeugender Manier gegen allerdings eher zweitklassige Konkurrenz
über 800 m in 1:48,65 Minuten gewann, startete Schumann in der
abschließenden Rundenstaffel als Schlussläufer über 800 m.
Unglücklich verlor der Olympiasieger den Staffelstab, nachdem er selbst
einen Gegner touchiert hatte. Mit der schwächsten Zeit kam das deutsche
Team ins Ziel und dadurch um den Gesamtsieg. Nur ein Pünktchen, also ein
Platz weiter vorne in der Staffel, fehlte zum Sieg.
Achtbar schlugen sich in Leipzig die beiden deutschen Langstreckler
über 3000 m. In einem mutigen Rennen musste sich Jan Fitschen
(Wattenscheid) in 8:00,59 Minuten lediglich dem Spanier Yousef El Nasri
(8:00,28) geschlagen geben. Ebenfalls Platz zwei erlief über 3000 m
Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg) in 8:56,33 Minuten. Hier gewann Galina Bogomolowa
(Russland/8:55,41).
Als kompakter Zweieinhalb-Stunden-Wettbewerb mit Schwerpunkt auf den
attraktiveren Laufstrecken hat dieser Hallen-Europacup durchaus Perspektiven.
Er kann dazu beitragen, die Leichtathletik in der gesuchten, moderneren Form zu
präsentieren. Dass viele Stars die Hallensaison generell auslassen und
dann alle europäischen Nationen Probleme haben, ein in jeder Disziplin
hochklassig besetztes Team zu stellen, wurde auch in Leipzig offensichtlich.
Doch es konnte hier nicht um Rekorde gehen, sondern um die Spannung eines
Teamwettbewerbes mit einer einfachen, übersichtlichen Punktwertung. Dieses
Experiment ist gelungen, wenn es auch noch, was die Informationen der Zuschauer
betrifft, verbesserungsfähig ist.
„Diese Veranstaltung hat Motivation geschaffen, mit dem
Hallen-Europacup weiterzumachen und Leichtathletik in Leipzig zu
präsentieren“, sagte Clemens Prokop, der Präsident des
Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Und der Verband will sich offenbar
mit Leipzig, wo am nächsten Wochenende die Deutschen Meisterschaften
stattfinden, auch um den Europacup im nächsten Jahr bewerben. Europa- und
Weltmeisterschaften sind in Leipzig ebenfalls denkbar, wenn mit Hilfe von
Zusatztribünen die Zuschauerkapazität erhöht werden kann.
„Mit dieser Halle werden wir uns sicherlich in Zukunft um internationale
Meisterschaften bewerben“, kündigt DLV-Generalsekretär Frank
Hensel an. Das Interesse seitens des internationalen Verbandes IAAF, in
Deutschland Titelkämpfe zu veranstalten, ist offenbar vorhanden. Bei der
Premiere in Leipzig saßen IAAF-Generalsekretär Istvan Gyulai und
Vizepräsident Helmut Digel auf der Tribüne. Sogar IAAF-Präsident
Lamine Diack wollte kommen, musste aber krankheitsbedingt kurzfristig absagen.
„Leipzig ist eine besondere Stadt für die Leichtathletik geworden.
Es gibt in Europa nicht viele Hallen dieser Klasse. Für die IAAF ist das
sehr interessant“, sagte Helmut Digel.
Jörg Wenig