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Deutsche Läufer sorgen nur bei Interviews für Überraschungen

In der Ära nach Dieter Baumann, Uta Pippig oder Katrin Dörre-Heinig

rennen die deutschen Läufer der Weltspitze schon lange hinterher. Zumal

Nils Schumann nach seinem sensationellen 800-m-Olympiasieg von Sydney 2000 nie

mehr an die damalige Form anknüpfen konnte und von immer neuen

Verletzungen zurückgeworfen wurde. Elf Laufwettbewerbe von 800 Meter bis

zum Marathon standen bei den Olympischen Spielen auf dem Programm. Theoretisch

hätten sie mit 33 deutschen Athleten besetzt werden können. Ganze

sieben Läufer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) gingen in Athen

an den Start. Nur eine von ihnen erreichte eine Top-Ten-Platzierung: Irina

Mikitenko (Eintracht Frankfurt) lief trotz gesundheitlicher Probleme im Vorfeld

auf Rang sieben im 5.000-m-Finale.

Das Abschneiden der deutschen Leichtathleten in Athen ist schwach. Und

innerhalb der Disziplinblöcke bilden die Läufer das Schlusslicht. Das

ist schwer verständlich, wenn man sieht, dass der Laufsport in Deutschland

boomt wie kaum eine andere Sportart. In vier Wochen werden über 35.000

Läufer den Berlin-Marathon rennen. Fast alle großen deutschen

Straßenläufe haben im Laufe der letzten Jahre immer neue

Teilnehmerrekorde aufgestellt. Immer mehr Veranstalter integrieren erfolgreich

Rennen für Kinder und Jugendliche über kürzere Strecken. Das

Interesse und die Begeisterung ist auch beim Nachwuchs vorhanden.

Doch wenn es gilt, mit hartem Training den Sprung zu schaffen, läuft

nicht mehr viel in Deutschland. „Die deutschen Läufer trainieren

nicht hart genug“, sagt die frühere Marathon-Weltrekordlerin Tegla

Loroupe. Die Kenianerin lebt seit vielen Jahren mehrere Monate im Jahr in der

Nähe von Detmold. Und Irina Mikitenko erklärt: „Ohne sehr

hartes Training kommt man international nicht voran.“ Doch teilweise

fehlt dafür wohl auch die nötige Struktur und das Know How bei den

Trainern.

Zu dem Dilemma passen auch die Aussagen zweier deutscher Läufer, die in

den letzten Tagen in Athen an den Start gegangen waren. Der 800-m-Läufer

Rene Herms (Pirna) rannte in seinem Halbfinallauf von Anfang bis Ende auf dem

letzten Platz. Nicht einmal startete er trotz eines langsamen Rennens auch nur

ansatzweise den Versuch, sich nach vorne zu arbeiten und die kleine Finalchance

zu nutzen. „Ich ärgere mich zwar, aber es herrscht deswegen kein

Frust. Immerhin war ich in einem olympischen Halbfinalrennen – und

darüber bin ich happy“, erklärte der 22-Jährige und

fügte gegenüber den verblüfften deutschen Journalisten noch

hinzu: „Wir wissen, dass wir in der Weltspitze angekommen sind.“

Die Weltspitze stand am Sonnabend im olympischen Finale. Herms meinte mit

„wir“ offenbar seinen Trainer Klaus Müller und ihn selbst und

dachte an den Länderkampf in München, wo er sich auf sicherlich

starke 1:44,14 Minuten verbessert hatte. Doch in Athen zeigte sich, was diese

Steigerung wert war.

Nachdem Sabrina Mockenhaut (LG Sieg) im 10.000-m-Finale abgeschlagen auf

Rang 15 ins Ziel gelaufen war, stand sie weinend in der Mixed-Zone. Doch es

waren, erklärte sie den erstaunten Medienvertretern in diversen

Interviews, keine Tränen der Enttäuschung. „Ich weine aus

Freude – es ist so schön bei Olympischen Spielen ins Ziel zu laufen,

ich bin glücklich. Ich werde jetzt drei Nächte lang feiern.“

Nur bei den Interviews sorgten die deutschen Läufer in Athen für

Überraschungen.