Die Vorstellung hätte kaum eindrucksvoller gelingen können, mit der
sich Dieter Baumann nach zweijähriger Dopingsperre zurück in die
deutsche Laufszene zu melden wußte. Während sich seine
Rehabilitation vor den unterschiedlichen Gerichtsinstanzen wenig
erfolgversprechend gestaltet, gelang dies dem früheren 5000
m-Olympiasieger nach zwei Hallenrennen nun auch eindrucksvoll auf dem schweren
Querfeldeinparcours des Regensburger Unigeländes. Wie schon bei den
Hallenrennen in Dortmund und Stuttgart ließ Baumann bei seinem Tempolauf
par excellance keinen Zweifel aufkommen, wer der beste Langstreckler im Lande
ist. Im Stile eines Klasseläufers distanzierte der Tübinger mit dem
überlegen herausgelaufenen Sieg die Konkurrenz auf der 10 000 m langen
Langstrecke. Mit knapp dreißig Sekunden Rückstand wurde der
frühere Hindernis-Europameister Damian Kallabis Zweiter.
Regensburger Organisatoren setzen erneut Meilenstein Nach einem
interessanten Zweikampf mit der erst 20jährigen Sabrina Mockenhaupt holte
sich die Frankfurt-Marathon-Siegerin und letztjährige
Cross-Doppelmeisterin Luminita Zaituc mit einem resoluten Schlußangriff
erneut den Titel. Attraktive, weil große Startfelder bei der erstmals
durchgeführten Ein-Tages-Veranstaltung, ein hervorragender Crossparcours
und ein herrliches Vorfrühlingswetter, eine bessere (Eigen-)Werbung
für die Leichtathletik hätte sich der DLV im Vorfeld der
Euopameisterschaften im eigenen Land kaum wünschen können.
Uneingeschränktes Lob vor allem für die einen weiteren
organisatorischen Meilenstein setzende Ausrichtermannschaft der LG
Domspitzmilch Regensburg, deren Chef Kurt Ring trotz aller Verbandsprominenz
und vielseitigem Schulterklopfen dennoch einen Mann offenkundig vermißte,
den DLV-Präsidenten nämlich. „Es ist für mich
persönlich sehr enttäuschend, dass der DLV-Präsident Clemens
Prokop, der übrigens zwanzig Kilometer von Regensburg entfernt wohnt, erst
zugesagt hatte und dann durch den bayerischen Landesverband absagen ließ,
er habe gerade an diesem Samstag einen anderen Termin! Mich überrascht
dabei vor allem der Zeitpunkt: Am Sonntag wurde die Startzusage von Dieter
Baumann bekannt, am Montag kam die Absage des DLV-Präsidenten. Von unserem
früheren Clubkollegen Prokop hätte ich mir zumindest einen
persönlichen Anruf gewünscht!“
Die Regensburger haben mit einer prächtigen Cross-Atmosphäre einen
weiteren Meilenstein gesetzt, so dass DLV-Vizepräsident Rüdiger
Nickel beeindruckt den Schlußpunkt setzte: „Optimal, besser kann
man es einfach nicht machen!“ Als Leistungssport-Verantwortlicher dagegen
mit Sorgenfalten: „Es fehlen zwar absolute Vergleiche, aber die
Lücken selbst in der Spitze sind unverkennbar. Hier muß eine
intensive Beratung zwischen den Lauftrainern des Verbandes und den Heimtrainern
einsetzen, denn so kann es nicht weitergehen!“ Weitergehen wird es
gewiß mit Dieter Baumann und Luminita Zaituc, die bei allem Cross-Einsatz
zunächst einmal Marathon-Ambitionen hegen. Beide wollen in der zweiten
Aprilhälfte beim Hansaplast-Marathon in Hamburg zu den Leistungsgaranten
zählen. Nicht ohne zuvor die European 10 000 m-Challenge (Baumann) bzw.
die Militär-Cross-Weltmeisterschften (Zaituc) bestritten zu haben.
Talent „Mocki“ fehlte die Orientierung Für die
Braunschweigerin soll Hamburg ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum
EM-Erfolg werden. „Ich habe eine lange Vorbereitungszeit, keine Halle
gelaufen, zwar für die Cross-DM etwas reduziert, aber mein Ziel ist
Marathon. Sabrina war eine harte Konkurrentin, deshalb freue ich mich auch
über den Sieg. Und natürlich den auch in der Mannschaft....“
Auch die kampfstarke Sabrina Mockenhaupt wird den Wettkampfstress nicht los,
schließlich ist auch sie für die Militär-Cross-WM aufgeboten.
„Ich könnte mich ärgern“, kommentierte das kleine
Betzdorfer Energiebündel die Rennentscheidung. „Irgendeiner hat mir
zugerufen, es wäre noch eine Runde zu laufen. Nee, noch einmal den Berg
hoch, ist es mir durch den Kopf geschossen. Natürlich weiss ich nicht, ob
es gereicht hätte, aber ich habe dann einfach resigniert“. So blieb
für „Mocki“ letztlich die Gewissheit, das Rennen lange Zeit
offen gehalten zu haben, auch wenn es wiederum einmal nicht ganz gereicht
hatte. Während die anfangs stark mithaltenden Melanie Schulz und Susanne
Ritter ihrem Mut letztlich Tribut zollen mußten, rückte Uli Maisch
mit großem Stehvermögen auf Rang drei vor. „Endlich einmal
nicht Vierte und Fünfte!“ freute sich die Rostockerin
mächtig.
„Godd Bormi“ stand in großen Lettern auf einem Spanntuch
beim Mittesltreckenrennen. Und Jens Bormann ließ in der Tat nichts
anbrennen, zog vom Start weg an der Spitze das Feld der einhundert Läufer
mächtig auseinander – und ließ sich auch nicht von dem mit
Abstand folgenden Jan Fitschen die Butter mehr vom Brot nehmen.
„Natürlich habe ich den Druck gespürt und bin vielleicht auch
etwas schnell weggezogen. Doch es hat ja prächtig geklappt“. Der
Leipziger möchte übrigens auch gerne nach München, in das 10 000
m-Finale. „Deshalb werde ich mich voll auf die European 10 000
m-Challenge konzentrieren, um dort die Quali zu laufen!“ Selbstvertrauen
jedenfalls hat „Bormi“ in Regensburg schon einmal tanken
dürfen.
Ausweisung für DLV-Hoffnung Terefe Desaleng? Das jedenfalls hat Damian
Kallabis auch wiedererlangt. Der Neu-Stuttgarter („Eigentlich wollte ich
ja Mittelstrecke laufen. Da eine Ummeldung nicht mehr möglich war,
mußte ich eben lang laufen!“) rückte zur Streckenhälfte
zur kompakten Baumann-Verfolgergruppe auf und lieferte sich letztlich einen
heißen Fight mit Oliver Mintzlaff um Platz zwei. In Abwesenheit der
zunächst angekündigten Thomas Greger und Andre Green hätte die
Stunde des „Jungen Wilden“ Alexander Lubina schlagen können,
doch der 22jährige Wattenscheider blieb nach starker Zwischenphase
medaillenlos. Da ist das mit Carsten Schütz und Doppelstarter Jan Fitschen
errungene Teamgold wenigstens ein kleiner Trost. Interessant wäre gewiss
auf der Langstrecke ein Vergleich mit dem aus Äthiopien stammenden Terefe
Desaleng, doch der junge Frankfurter, im vergangenen Herbst schon 10 km-Meister
in Troisdorf, startete im Juniorenrennen. Der gebürtige Äthiopier,
dessen Asylantrag zwischenzeitlich bereits abgelehnt wurde, lief praktisch das
gesamte Rennen mit nur einem Schuh (der zweite war ihm am Start ausgetreten
worden) und konnte sich erst in der Schlußrunde vom mutig mitlaufenden
Raphael Schäfer absetzen. „Zum Glück war der Untergrund weich
genug“ und lächelte etwas besorgt auf den schlammigen Socken am
bloßen Fuß. Wesentlich mehr Sorgen bereitet dem 20jährigen
allerdings seine am 27. April ablaufende Aufenthaltserlaubnis. „Ich
hoffe, dass sich der DLV für Terefe einsetzen kann!“ sieht Betreuer
Franz Eckhardt einen kleinen Hoffnungsschimmer. Langstrecken-Bundestrainer
Wolfgang Heinig möchte lieber heute als morgen den unbestritten
talentierten Terefe Desaleng im Perspektivkader für die Olympischen Spiele
2004 wissen. „Unter bestimmten Umständen haben die Fachverbände
gewisse Möglichkeiten. Wir werden als DLV alles versuchen, um diesen
talentierten Burschen schneller als dies im Normalfall möglich ist,
einzubürgern! Ich kann aber nicht sagen, ob wir damit Erfolg haben.
Derzeit ist die Gesamtsituation nicht besonders rosig!“
Fotofinish bei der männlichen A-Jugend Keinen deutschen Pass hat
allerdings auch der souveräne B-Jugendsieger Erkan Kara als Sohn
türkischer Eltern, der allerdings schon in Deutschland geboren wurde und
bei Dieter Herrmann in Großengottern den Feinschliff erfährt. Noch
überlegener als Erkan („Ich wollte schon immer einmal etwas
gewinnen!“) waren Eva Maria Stöwer und Johanna Braun in den beiden
Mädchenwettbewerben der B- und A-Jugend. Spannung pur hingegen bei den
Jungens, als mit Norbert Löwa und Ronald Weßlin gleich zwei
Läufer gleichauf über die Ziellinie stürmten. Der für den
VfL Brandenburg startende Ronald setzte sich dabei in der
Zentimeterentscheidung durch.
Wilfried Raatz (aus Leichtathletik 11/2002)