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Das Elitekonzept

Schon heute weiß Wolfgang Konrad eines ganz sicher: er muss den Medien

Eliteläufer präsentieren für seinen Wien-Marathon im kommenden

Mai. Ein paar Kenianer sollten es schon sein, dazu der eine oder andere

Äthiopier, gewürzt mit einigen Polen, Russen und vielleicht noch

einem Portugiesen oder Spanier. Optimal ist noch ein Einheimischer, der, wenn

schon nicht um den Sieg, so doch um eine gute Platzierung oder – wie bei

der jüngsten Auflage – eine Olympiaqualifikation kämpft. Wenn

Konrad Pech hat, wird das Wetter warm, die Siegerzeit langsam und der

Erstplatzierte kann kaum Englisch. Die Pressekonferenz gerät dann eher

fad, die Journalisten tun sich schwer, den Athleten etwas zu entlocken (und

darüber zu schreiben).

Aus der Not eine Tugend gemacht

Umgekehrt bekommt ein Marathon-Veranstalter Probleme, wenn er keine

Spitzenläufer präsentieret. Der Münchner Race director Gernot

Weigl machte aus der Not eine Tugend und fährt sein „Konzept der

Local Heroes“, was so viel heißt wie: einer ist immer der Sieger,

nämlich der Erste im Ziel. Bei der Wiederbelebung des Münchner

Marathons vor vier Jahren hatte sich Weigl mit einer sechsstelligen Summe

für Topläufer schwer verhoben. Das Resultat dieser Investition in die

Zukunft konnte sich zwar sehen lassen (zwei Kenianer unter 2:10 Stunden), doch

ohne Sponsor im Rücken ließ sich ein derartiger Betrag nicht weiter

verantworten, und so wurde aus dem München-Marathon ein

Breitensport-Marathon. Weigls „Problem“ ist, dass ihm Journalisten

vorwerfen, dies sei zu ändern. Warum? Weil sich Journalisten oft schwer

tun, über Breitensport zu schreiben.

Die Kosten-Nutzen-Rechnung

Die beiden Fälle, Wien und München, sind gute Beispiele für

den Sinn und Unsinn von Elitefeldern, wie sie heute fast jeder Marathon bietet.

Wien verzeichnet einen Rückgang der Marathon-Teilnehmer, was wohl mit der

großen Anzahl von Konkurrenzmarathons in Österreich zu tun hat, aber

durch ein Elitefeld nicht verhindert wird. Weigl dagegen erlebt seit drei

Jahren eine positive Teilnehmerentwicklung trotz fehlender

Eliteläufer.

Einer seriösen Kosten-Nutzen-Rechnung halten Elitefelder in den

allermeisten Fällen nicht stand. Ich bezweifle, ob diese Rechnung

überhaupt jemand in seriöser Weise aufstellt. Zu sehr ist die Meinung

verbreitet, eingeladene Topläufer gehörten nun einmal zu einem

Marathon. Warum eigentlich, das fragt sich offensichtlich keiner. Was bringen

dem Köln-Marathon über 20 Afrikaner und eine Siegerzeit von 2:10,

wenn am nächsten Tag nichts bzw. kaum etwas in der überregionalen

Presse zu lesen ist? Hätten die Zeitungen im Großraum Köln

nicht ebenso über diesen Marathon geschrieben, bei dem immerhin über

15000 Menschen unterwegs waren, wenn kein Topläufer mitgelaufen wäre?

Ja, behaupte ich, sonst kann sich die Verlagsleitung vor Leserbriefen nicht

mehr retten. Wäre ein Teilnehmer weniger an den Start gegangen? Nein.

Können Zuschauer unterscheiden, ob die Spitzengruppe in Richtung 2:10 oder

2:20 Stunden unterwegs ist? Nein. Köln ist übrigens austauschbar

gegen Hamburg oder Frankfurt.

Das Elitekonzept richtig angewandt

Wie es besser geht, zeigen seit Jahren die Schweizer. Beim Grand Prix von

Bern (10 Meilen) oder beim Halbmarathonlauf um den Greifensee wird das

Elitekonzept viel effektiver gehandhabt. Anstatt mit der Gieskanne ein

vielköpfiges Elitefeld zusammenzustellen, werden dort seit Jahren gezielt

ein paar wenige ausländische Eliteläufer eingeladen, daneben sorgt

man aber auch dafür, dass möglichst der eine oder andere Schweizer

Topläufer im Rennen ist. Auch beim Zürich-Marathon hat man dieses

Prinzip sehr erfolgreich verfolgt und dabei natürlich auch Glück

gehabt, denn mit dem Luzerner Viktor Röthlin hat die Schweiz derzeit

gerade einen der besten europäischen Marathonläufer.

Ausnahme: Die ganz großen Marathons

Mit Ausnahme der ganz großen Marathons (Berlin, London, Boston, New

York, Chicago) gibt es wenige Ausnahmen, wo ein Marathon aus

Publicity-Gründen nicht auf Topläufer verzichten kann. Dazu

gehört Wien. Die Stellung als Landeshauptstadt mit mehreren Zeitungen vor

Ort, darunter die allmächtige „Krone“, lässt keinen

anderen Weg zu. Für einen Veranstalter wie Gernot Weigl dagegen gilt:

Kommt ein Sponsor daher und macht Topläufer zur Bedingung für sein

Engagament, bitte gerne!

Thomas Steffens

Chefredakteur Runner’s World

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