Paula Radcliffe tut es, Kenenisa Bekele tut es ... diese Folge ließe sich
beliebig mit Prominenten und weniger Prominenten aus der Laufszene fortsetzen.
Es besteht kein Zweifel, dass Crosslaufen die natürlichste Weise ist, sich
im Gelände, fernab der asphaltierten Straßen, der fest geschotterten
Forst- und Waldwirtschaftswege fortzubewegen. Eine zudem reizvolle, denn
Trainingseinheiten auf verschlungenen Pfaden, im weitläufigen Wiesen- und
Weidenterrain oder im lockeren Baumbestand erfrischen Geist und Seele, bieten
Abwechslung, wenngleich ein Laufen in derartigem Gelände ein
Höchstmaß an Aufmerksamkeit bedingt.
Querfeldein-Wettkämpfe jedoch finden dem Trend der Zeit entsprechend
stadtnah statt, um vorhandene Infrastrukturen zu nutzen und um die
entsprechende mediengerechte Öffentlichkeit zu interessieren. Entsprechend
„kultiviert“ ist das Querfeldeinterrain, denn bei Meisterschaften
auf höchster Ebene werden zumeist Pferderennbahnen oder Park- oder
Brachlandschaften genutzt.
Crosslaufen – eine besondere Schule für die Entwicklung
des Laufens!
Was ist das Besondere am Cross-Country-Laufen?
Die Laufexperten weltweit sind sich einig, dass das Laufen im eher unwegsamen
Gelände eine komplette Schulung für die körperliche Fitness
bedeutet und beste Voraussetzungen schafft für eine Steigerung der
Leistungsfähigkeit im Mittel- und Langstreckenbereich - auf der Bahn und/
oder auf der Straße. Komponenten wie Kraft- und (teilweise auch )
Grundlagenausdauer, Koordination und Willensstärke werden dabei
ausgebildet bzw. gestärkt.
Ein Wechsel der Trainingsreize wirkt oftmals belebend in der Monotonie des
Trainingsaufbaues, fördert zudem das Wohlbefinden und stärkt das
Immunsystem. Cross-Country-Runnung als Spaßfaktor!?
Durchaus, auch wenn Querfeldeinlaufen allerdings auch Verletzungsgefahren in
sich birgt, wenn der Sehnen- und Bänderapparat den Anforderungen des
Geländes nicht gewachsen ist. Das landschaftsorientierte Laufen fordert
nicht nur einen ständigen Rhythmuswechsel, sondern schult auch
insbesondere das Wahrnehmungs- und Reaktionsvermögen.
Der Querfeldeinläufer sollte zugleich auch ein Naturschützer, ein
Bewahrer des ökologischen Gleichgewichts der Natur sein, schließlich
geht es darum, die weniger von der Zivilisation angegriffenen Zonen nicht
rücksichtslos den eigenen Interessen zu opfern.
Ein Heer von Trainingsweltmeistern?
Traditionsgemäß ist Cross in den Ländern West- und
Südeuropas Kult in den Wintermonaten, die Teilnehmerzahlen bei
Crosslauf-Veranstaltungen in Belgien, Frankreich und Großbritannien
belegen dies. Cross hat in den USA und Kanada ebenso eine große Tradition
wie auch auf dem fünften Kontinent. In den lauforientierten Regionen
Afrikas ähnelt nahezu jedes Training einem Crosslauf, Hunderte von
Männern und Frauen, von Jungen und Mädchen messen sich im
Gelände. Eine wahre Fundgrube für Talentespäher.
Auch viele Deutsche gesichtet
Doch zurück nach Europa: Auf der iberischen Halbinsel tummeln sich
zwischen Dezember und März Hunderte von leistungsstarken Läufern
aller Herren Länder zum Training und Wettkampf. Selbst viele Deutsche
wurden gesichtet, doch weniger, um sich bei den zahlreichen
Cross-Veranstaltungen mit der internationalen Güteklasse zu messen,
sondern fleißig und still vor sich hin zu trainierend.
Trainingsweltmeister allenthalben.
Aber mit welcher Zielsetzung mühen sich unsere Besten? Etwa für die
wenigen Hallenwettkämpfe hier zu Lande? Bei den internationalen
Titelkämpfen schickt der Verband ehedem keine Vertreter mangels Klasse,
weil man keine „Endkampfchance“ vermutet.
Für den DLV - Cross nur zwischen November und
Jahreswechsel
Qua Dekret des Deutschen Leichtathletik-Verbandes hat Cross nur noch eine
Daseinsberechtigung zwischen November und dem Jahreswechsel. Der Terminkalender
sieht dementsprechend ausgedünnt aus. Die nationalen Meisterschaften sind
völlig deplatziert wieder einmal Ende November angesiedelt, eine
einheitliche Linie ist keineswegs zu erkennen. Methodisch gibt die
Termingestaltung wenig Sinn, vor allem, wenn die Bahnsaison Ende September
ausklingt, die Straßenlauf-Saison trotz ganzjähriger Ausrichtung
eher Ende Oktober einen gewissen Abschwung erkennen lässt.
Wo bleibt für unsere Läufergilde die dringend notwendige, angemessene
Zeit für Regeneration und Neuaufbau?
Hier Berlin – dort Darmstadt und Neukirchen!
Nur wenige Veranstalter sehen in der Organisation von Crossläufen
nationalen Zuschnitts noch einen Sinn.
Der Berliner Crosslauf von SCC-RUNNING, schlichtweg die „Großmutter
aller Laufveranstaltungen“ mit großer Tradition und erfolgen seit
1964, bleibt nach dem Rückzug vom Maifeld nahe dem Olympiastadion ins
zugegeben mehr idyllische Grunewaldgelände trotz 1000 Teilnehmern am 7.
November als Auftakt in die Cross-Saison eher ein regionales Ereignis - aber
mit dem sportlichen Anspruch den leistungsbereiten und anspruchvollen
Läufern unter den Leichtathleten eine Chance zur Bewährung im
Gelände zu bieten.
Andere wie der Neusser Crosslauf gehören ebenso der Vergangenheit an wie
der Crosslauf auf der Merheimer Heide in Köln. Nachdem der Deutsche
Cross-Cup sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden ist, bleibt alleine
als nationales Ereignis noch der Darmstadt-Cross übrig, der als letztes
„aufrechte Fähnlein“ im lauen Lüftchen der Laufbewegung
flattert.
ASC Darmstadt einsamer Rufer
Am Sitz des DLV ist der hessische Traditionsverein ASC Darmstadt eher der
einsame Rufer in der Cross-Ödnis, redlich bemüht, dem
Querfeldeinlaufen hierzulande ein Lebenszeichen einzuhauchen. Heuer wollen die
Darmstädter Ende November mit der Team-Challenge einen weiteren Versuch
starten, Crosslauf auch zuschauerträchtig zu veranstalten. Die Mikitenkos,
Mockenhaupts, Hallmanns, Dietz und Lubinas treten dabei in acht nationalen
Teams gegen vier ausländische Teams à la Biathlon in der Arena
„AufSchalke“ im Kampf um ordentliche Prämien an.
Immerhin ist hier Kreativität am Zuge, zumal auch Darmstadt 2005
Ausrichter der nationalen Titelkämpfe ist.
Neuer Pflock in der verwaisten Crosslandschaft
In Neukirchen nahe Neuss versucht Trainer-Urgestein Adi Rosenbaum mit seinem
einstigen Schützling Detlef Uhlemann im Februar 2005 mit einem U
23-Länderkampf zwischen Deutschland, der Schweiz, Frankreich und den
Niederlanden einen weiteren Pflock in die verwaiste Crosslandschaft zu setzen.
Das war’s allerdings schon mit der Cross-Herrlichkeit.
Aus der Lethargie des Trainingsalltags locken
Wo sollen denn bitteschön letztlich die Entwicklungen im Laufbereich
herkommen, wenn schon das Angebot ein überaus dürftiges ist. Die fast
ausschließlich regional angelegten Wettkämpfe bedeuteten
gleichzeitig, dass sich unsere Besten in einer ausgelebten Konsequenz aus dem
Wege gehen (können).
Es fehlt einfach die erforderliche Konkurrenz, um unsere sogenannten Asse aus
der Lethargie des Trainingsalltags zu locken.
Verweichlichen unsere Läufer durch Training in geheizten
Hallen?
Liegt hier der Grund für die Schwäche im
Laufbereich?
Wo sich andere im Ausland (siehe oben) bei Wind und Wetter, im schnellen
Wiesengeläuf oder im knöcheltiefen Morast die nötige Härte
und Kampfstärke für die Bahn- oder Straßensaison holen,
trainieren unsere Besten in der geheizten Halle, zugegeben fleißig,
jedoch ohne jeden Anreiz, aber still vor sich hin. Woche für Woche im
gleichen Rhythmus. Belastungsintensitäten sommers wie winters
gleichförmig.
Erfolglos - wie jeder sehen kann!
Missliche Lage für Detlef Uhlemann
Der für Cross seit einigen Monaten verantwortliche frühere
Cross-WM-Dritte und vielfache EM- und WM-Starter Detlef Uhlemann sieht sich in
einer misslichen Lage. Wie soll er nämlich eine schlagkräftige
Nationalmannschaft formen, die Mitte Dezember im Ostseebad Heringsdorf auf
Usedom den gestrengen Erwartungen der Öffentlichkeit bei den
Cross-Europameisterschaften unter den besten europäischen Teams sich
platzieren muss? Immerhin hat Detlef Uhlemann schon eines geschafft,
nämlich die grundsätzliche Bereitschaft, dass sich die vermeintlich
stärksten deutschen Langstreckler auf Heringsdorf vorbereiten.
Mittelfristig doch ein Weg aus der Talsohle?
Das ist zumindest ein Erfolg in der Cross-Lethargie hierzulande. Vielleicht
mittelfristig doch ein Weg aus der Talsohle, denn schließlich stehen im
stetigen Wechsel Europa- und Weltmeisterschaften an, bei denen auch Vertreter
aus Deutschland starten sollten.
Wenn wir in Deutschland schon eine stattliche Laufkultur mit einer enormen
Dichte an attraktiven Laufveranstaltungen haben, die allerdings fast
ausschließlich breitensportorientiert ist, dann sollte Deutschland auch
bei den international Topereignissen repräsentiert werden.
Schließlich zählen Risikobereitschaft, Experimentierfreudigkeit,
Herausforderung und Leistung in einem weltweit geachteten Industrieland wie
Deutschland (noch immer) als Tugenden.
Wilfried Raatz
PS: Am Sonntag, dem 7. November findet der 41. Berliner
Cross-Country-Lauf von SCC-RUNNING im Grunewald statt.
Start und Ziel im Stadion Eichkamp - verlängerte Harbigstraße.
Anmeldungen noch bis kurz vor den Starts möglich.
Der Cross-Country-Lauf in Berlin und die Bedeutung des Crosslaufes
allgemein in nationaler und internationaler Sicht sowie sein Stellenwert im
Rückblick der Veröffentlichungen:
Carmen Rüdiger startet beim Cross:
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002584
Die Blamage der deutschen Leichtathletik (-Trainer)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001874
Paula Radcliffe krönt die Cross-EM in Edinburgh
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001717
Topbesetzung beim Darmstadt-Cross
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001682
40. Berliner Crosslauf - jung wie eh und je - 1.576 Läufer feiern
Jubiläum
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001674
40. Berliner Cross-Country-Lauf
Aufwärtstrend im Grunewald, Uta Pippig joggt locker mit
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001675
Jubiläum des Berliner Cross-Country Laufes
Die Großmutter aller Läufe wird am 9. November 40 Jahre alt
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001670
Die SiegerInnen des Berliner Crosslaufes von 1964 - 2002
Bodo Tümmler (SCC Berlin) hieß der erste Sieger
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001671
Großmutter wird 40 – am Anfang war der Cross -
“Dem echten Crosser kommt jede Mühsal gelegen“
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001644
40 Jahre Volkslaufbewegung in Deutschland … und kein Ende
Der 40. Berliner Cross-Country-Lauf am 9. November ist die
“Großmutter“ aller Läufe in Berlin
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001634
Cross-WM in Avenches/ Schweiz
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001264
Favorit Jirka Arndt auf der Zielgeraden überspurtet
Crosslauf von SCC-RUNNING wieder im Aufwind
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001079
Ananas als Siegespreis und umgestürzte Bäume auf dem Parcours
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001075
Das Comeback des Crosslaufens
Wiedererstarktes Europa – Nur in Deutschland kommt der Cross nicht
voran
www.real-berlin-marathon.com/news/show/001065
Cross EM in Thun (SUI)
Sportlicher Wert der Cross-EM unbestritten
www.real-berlin-marathon.com/news/show/000664