Der neue Herburger ist da. Der mittlerweile 72-jährige Günter
Herburger gilt als prominentester und profiliertester deutschsprachiger Autor,
der sich seit vielen Jahren buchstäblich dem Laufen verschrieben hat. Die
beiden Bände „Lauf und Wahn“ (Frankfurt 1988) sowie
„Traum und Bahn“ (München 1994) geben ein reichhaltiges
Textzeugnis davon ab.
"10" />Immer sind es – wie Günter Herburger selbst schreibt –
lange Laufstrecken draußen unterwegs und lange Strecken drinnen am
Schreibtisch, die ihm gut tun: „Liefe ich nicht, das sagte ich schon
vorher, wäre ich tot. Wahrscheinlich“, hat er einmal in einem
Interview erklärt. Diese Devise galt gestern, sie gilt heute und sie wird
vermutlich auch morgen noch für den in München lebenden Günter
Herburger gelten. Sein jüngstes Werk (zusammen mit den beiden anderen nun
eine Art Triologie) hat er übrigens persönlich erstmals der
Öffentlichkeit beim diesjährigen 4. internationalen literaturfestival
berlin (ilb) vorgestellt, in das zwei Tage vor dem 31. real,- BERLIN-MARATHON
auch der 15. Literatur-Marathon integriert war, wo Herburger (zusammen mit
Dieter Baumann, Tom Ockers und Alan Sillitoe) das Kapitel
„Comrades“ vorgetragen hat.
Was bringt der neue Herburger? Nüchtern betrachtet sind es
„nur“ 32 Kapitel auf rund 350 Seiten, allesamt mit knappen
Überschriften, die meistens auf jene Orte und Regionen deuten, an denen
Günter Herburger als Läufer unterwegs war: Apeldoorn, Riga, Jungfrau
sind die ersten drei; Bad Füssing, Turin und Husum liegen mittendrin. Die
Läufe, von denen „Schlaf und Strecke“ handelt, sind in der
Mehrzahl Marathonläufe oder noch länger, noch beschwerlicher, noch
ungewöhnlicher, noch weiter weg, noch strapaziöser.
Kurzum: Sie fordern Günter Herburger in besonderer Weise heraus - zum
Laufen und zum Schreiben. Denn genau das ist sein Markenzeichen: uns
mitzunehmen auf die Strecke, ganz nah bei ihm zu sein wie ein unsichtbarer
Weggefährte, der immer auf Höhe Herburgers Schritt für Schritt
(besser noch: Zeile für Zeile) mitläuft, aber dann plötzlich und
immer wieder aufs Neue weggeführt wird von der Laufstrecke in die
feinsinnige und fein geordnete Gedankenwelt des laufenden Literaten, wo
unentwegt die Gefahr des Sichverlierens lauert: „Verwinkelte Gedanken
können Teil eines Laufs sein, sobald Vorsicht und Ehrgeizenergie sich
verflüchtigen“ (212).
Aus lokaler Berliner Sicht sei darauf hingewiesen, dass es
(selbstverständlich?!) auch ein Kapitel über den BERLIN-MARATHON im
neuen Herburger gibt: Er hielt aus Anlass des 25. BERLIN-MARATHONS 1998 dort im
„Roten Rathaus“ vor über fünfhundert geladenen
Gästen den Festvortrag: „Die Rede schien zum Schmunzeln zu
sein“ (202). Herburger hatte sich auch für den Marathon selbst drei
Tage später angemeldet. Wie es ihm dort erging? Bitte selbst nachlesen!
Die Passage auf Seite 207 beginnt mit „Plötzlich ...“
Fazit: Für Herburger-Fans ist die Lektüre von „Schlaf und
Strecke“ sicher ein Muss. Und seine Fans werden zuweilen auch das
Älter-, Müder- und Langsamer-Werden des Autors nicht überlesen
(„Verdruss und Öde meldeten sich, die Kräfte schwanden“,
10) und mit Blick auf die eigene Laufkarriere bilanzieren: „Hatte das
Alter begonnen, vor dem ich seit Jahren davonlaufen wollte? Das Gleichgewicht
zwischen Leben und Schreiben war verloren gegangen“, (13).
Diejenigen, die von Herburger bisher noch nichts gelesen haben, sollten sich
behutsam an seine „Schreibe“ herantasten, vielleicht mit Paris,
Amsterdam oder Prag beginnen, um ihm dann später nach und zu durchdringen:
„Die Begegnung der Seele mit dem Körper war zu Ende. Sie gelang
immer nach langem Training im Verlauf des Marathons“ (173). Das ist
nämlich das Gute an diesem und den anderen Büchern von Herburger: Die
Inhaltsübersicht am Ende erlaubt uns, überall einzusteigen,
zwischendurch auch mal auszusteigen, um am Ende dann womöglich doch ganz
bei Herburger … und bei uns selbst anzukommen.
Günter Herburger: Schlaf und Strecke. München: A 1
Verlag 2004. 356 S.; ISBN 3-927743-74-7; 19,80 €.
Dr. Detlef Kuhlmann
Die Serie „Bücher zum Laufen - laufend neu“ wurde
konzipiert und zusammengestellt von Dr. Detlef Kuhlmann, dem langjährigen
Ressortleiter Kultur beim real,- BERLIN-MARATHON, im Hauptberuf
Sportwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und natürlich
selbst aktiver Läufer beim Sport-Club Charlottenburg (SCC Berlin) sowie
ehrenamtlich engagiert bei SCC-RUNNING. Die Reihe wird fortgesetzt.
Weitere Buchpräsentationen im Rahmen unserer Serie „Bücher
zum Laufen - laufend neu“ finden sich auf folgenden Internetseiten:
Die Laufliteratur - vom und zum Laufen - der
"Appetitanreger" für Sie zum Lesen:
Teil 1 der Serie "Bücher zum Laufen - laufend neu":
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002258
Teil 2 der Serie "Bücher zum Laufen - laufend neu":
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002259
Teil 3 der Serie "Bücher zum Laufen - laufend neu":
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002260
Teil 4 der Serie "Bücher zum Laufen - laufend neu":
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002261
Teil 5 der Serie "Bücher zum Laufen - laufend neu":
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002262
Teil 6 der Serie "Bücher zum Laufen - laufend neu":
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002263
Weitere Infos zum Thema Literatur:
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002500
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002540