Eigentlich wollten sich die Kenianer in diesem Jahr den verlorenen Rekord
zurückholen. Schließlich betrachten sie die 3000-m-Hindernisstrecke
als so etwas wie ihr Eigentum. Durch einen ungeplanten Lauf der Dinge ging
ihnen vor knapp einem Jahr diese Weltbestzeit verloren. Damals, beim
Golden-League-Meeting der Leichtathleten in Brüssel, war der Marokkaner
Brahim Boulami 7:55,28 Minuten gelaufen. Damit hatte er den Weltrekord des
Kenianers Bernard Barmasai um 44 Hundertstelsekunden unterboten. Und zum ersten
Mal seit 25 Jahren war ein Läufer im Besitz des Hindernis-Weltrekordes,
der nicht aus Kenia kam.
Nun aber holten sich in Zürich nicht die Kenianer den Rekord
zurück, sondern Brahim Boulami brachte ihn wohl fast schon außer
Reichweite der zurzeit besten Kenianer. Der 30-jährige Marokkaner lief
7:53,17 Minuten. „7:55 Minuten, das war eine Zeit, die nahe dran war an
den besten Kenianern. Jetzt wird es wesentlich schwerer für sie, meine
Zeit zu unterbieten“, erklärte Brahim Boulami. Der Lauf des
Marokkaners sah verblüffend einfach und locker aus. Lange Zeit schien er
immer schneller zu werden, es gab keinen Gang zurück. Erst auf den letzten
200 Metern ließ das Tempo des Brahim Boulami etwas nach.
So war es kaum noch ein Wunder, dass der im Züricher Letzigrund, dem
Mekka der Leichtathletik, gefeierte Läufer zu mitternächtlicher
Stunde bei der Pressekonferenz erklärte: „Mit guten Tempomachern
müsste ich noch schneller laufen können. Ich weiß nicht genau,
wie schnell, vielleicht zwischen 7:52 und 7:53 Minuten.“ Das Problem sei
jedoch, so Brahim Boulami, gute Hasen zu finden. In Zürich war der erste
Tempomacher zu langsam, so dass nach 1000 Metern die Zwischenzeit von 2:40,28
Minuten noch gut zwei Sekunden über der angepeilten
Weltrekord-Durchgangszeit lag. Es war Boulami selbst, der die verlorene Zeit
wieder aufholte. „Der erste Pacemaker war zu langsam. Dann merkte ich,
dass auch der zweite müde wurde und wusste, dass er die avisierte
2000-m-Zeit von 5:18 Minuten nicht schaffen würde.“ Fast war er
seinen Hasen auf die Füße getreten, ehe er sie hinter sich
ließ und über drei Runden lang alleine lief. „Der dritte
Pacemaker waren die Zuschauer“, sagte Brahim Boulami, der in der
vergangenen Woche als Afrikameister seinen ersten großen Titel gewonnen
hatte.
Ein zweiter Marokkaner hätte wenig später um ein Haar einen
zweiten Weltrekord aufgestellt. Hicham El Guerrouj gewann das 1500-m-Rennen
einmal mehr souverän in 3:26,89 Minuten und verfehlte seinen eigenen
Weltrekord dabei nur um 89 Hundertstelsekunden. Es war die drittbeste Zeit
aller Zeiten. Und der Marokkaner bleibt als einer von vier Athleten im Rennen
um den Jackpot der IAAF Golden League. Wer bei allen sieben Meetings der Serie
gewinnt, partizipiert am Jackpot von 50 Kilogramm Gold. Nur noch zwei Meetings
stehen aus: Brüssel und Berlin. Neben El Guerrouj sind noch Felix Sanchez
(Dominikanische Republik/400 m Hürden), Marion Jones (USA/100 m) und Ana
Guevara (Mexiko/400 m) im Rennen.
Eine Überraschung hatte es über 800 m gegeben. Der Kenianer Joseph
Mwengi Mutna lief in 1:43,33 Minuten Jahresweltbestzeit und gewann damit vor
dem Favoriten Wilson Kipketer (Dänemark/1:43,59). Vierter wurde
Publikumsliebling André Bucher (Schweiz). Im 5000-m-Rennen siegte zum
Abschluss der Kenianer Sammy Kipketer in 12:56,99 Minuten, während Dieter
Baumann seine Saisonbestleistung als Zehnter auf 13:07,40 steigerte. „Ich
komme immer besser in Schwung“, sagte der Tübinger.
Im 800-m-Lauf der Frauen hatte Maria Mutola (Mosambique) ein Novum
geschafft: Sie gewann in 1:57,24 Minuten, und es war ihr zehnter Sieg in
Reihenfolge in Zürich. Während sich Gabriela Szabo (Rumänien)
über 1500 m nach ihrer EM-Finalniederlage die Jahresweltbestzeit mit
3:58,78 Minuten sicherte, lief die 3000-m-Siegerin Berhane Adere
(Äthiopien) 8:32,76 Minuten.
ZÜRICH, Golden-League-Ergebnisse:
Männer
100 m Tim Montgomery USA 9,93
1500 m Hicham El Guerrouj MOR 3:26,89
5000 m Sammy Kipketer KEN 12:56,99
400 m H. Felix Sanchez DOM 47,35
Stabhochspr. Börgeling u. Lobinger GER 5,80
Dreisprung Jonathan Edwards GBR 17,63
Frauen
100 m Marion Jones USA 10,88
400 m Ana Guevara MEX 49,16
1500 m Gabriela Szabo ROM 3:58,78
3000 m Berhane Adere ETH 8:32,76
100 m H. Glory Alozie ESP 12,63
Speerwurf Tatjana Schikolenko RUS 64,72