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BM 02: Der goldene Marathon-Herbst beginnt am Sonntag in Berlin

Wenn es im Marathon eine Golden League geben würde, Berlin wäre

sicherlich dabei. Die deutsche Hauptstadt macht am 29. September den Anfang in

einem Marathon-Herbst, der vielleicht wiederum für goldene Zeiten sorgen

kann. Obwohl Berlin in den 90er Jahren, gemessen an den Männer-Zeiten, der

schnellste Marathon der Welt war, rückt in diesem Herbst aber vor allen

Dingen der zwei Wochen nach Berlin stattfindende 25. Chicago-Marathon in den

Blickpunkt. Die finanzkräftigen Amerikaner sind das herbstliche Pendant

zum London-Marathon, der im Frühjahr alle Rekorde gebrochen hatte. Der

dritte große Klassiker im Herbst ist traditionell der New-York-Marathon,

der am ersten November-Sonntag gestartet wird.

Immer wieder hochklassig besetzt sind auch die Eliteläufe in Japan. Im

Herbst werden der Frauen-Marathon in Tokio und das Männerrennen in Fukuoka

in Asien im Mittelpunkt stehen. Breitensportler sind hier jedoch nicht

zugelassen. In Europa und Amerika ist es dagegen gerade das Zusammenspiel von

Spitzen- und Breitensport, das den Marathon so erfolgreich macht.

Was die Masse der Läufer angeht, fallen in Berlin und Chicago auch

immer neue Rekorde. Für den 29. real,- BERLIN-MARATHON am 29. September

meldeten sich insgesamt 41.376 Teilnehmer. Diese Zahl teilt sich auf in 32.752

Läufer und 8.369 Inline-Skater. Hinzu kommen noch 121 Rollstuhlfahrer und

134 Power-Walker. Wiederum verzeichnen die Berliner damit einen Zuwachs um rund

zehn Prozent. Und dabei waren die Teilnehmerlimits so früh erreicht wie

nie zuvor. Bereits seit gut zwei Monaten geht in Berlin, wo zum dritten Mal

nach 1977 und 1996 die Deutschen Meisterschaften stattfinden, nichts mehr. In

Chicago ist das Limit von 37.500 Meldungen ebenfalls längst erreicht.

An den absoluten Kapazitätsgrenzen ist Berlin jedoch noch nicht

angekommen. Aber man will lieber in kleineren Schritten steigern, um die

Qualität zu halten. „Aber es gibt keinen Grund, warum wir

mittelfristig nicht mit den größten Marathonläufen von Chicago,

London und New York gleichziehen sollten. Mit den Skatern sind wir ja sogar

schon größer“, sagt Berlins Cheforganisator Horst Milde. Den

andauernden Aufschwung der Laufbewegung in Deutschland haben die Berliner

Veranstalter des SCC bei ihren anderen Laufveranstaltungen in diesem Jahr

ebenso schon registriert wie andere deutsche Organisatoren. Im Frühjahr

erreichte zum Beispiel der Hamburg-Marathon neue Rekordzahlen, nun folgt als

prominentestes Beispiel der Köln-Marathon. 17.529 Läufer haben

für das Rennen gemeldet, das nur eine Woche nach Berlin stattfindet. Das

zeigt, dass Marathon in Deutschland boomt. Zumal dann mit München (13.

Oktober) und Frankfurt (27. Oktober) weitere große deutsche Rennen

über die 42,195 km noch folgen. Der München-Marathon wird allerdings

mangels Preisgeldes spitzensportlich erneut keine Rolle spielen.

Welche Rolle Berlin in diesem Jahr im Rennen gegen Chicago spielen kann,

muss man abwarten. Die Berliner hatten freilich Pech, weil sie auf Haile

Gebrselassie gesetzt hatten. Aufgrund seiner Fußprobleme verzichtete der

Äthiopier dann aber auf den geplanten Start in Berlin, bei dem er den

Weltrekord von Khalid Khannouchi brechen wollte. Beim spektakulären

London-Marathon im April war es Gebrselassie, der mit seiner Tempoarbeit den

Weltrekord des gebürtigen Marokkaners Khannouchi, der seit 2000 für

die USA startet, erst möglich gemacht hatte. Khannouchi siegte damals in

2:05:38 Stunden vor Paul Tergat (Kenia/2:05:48). Für Haile Gebrselassie

blieb als Dritter nur der „Debüt-Weltrekord“ von 2:06:35.

Danach hatte Gebrselassie kein großes Interesse an einer Neuauflage des

Londoner Dreikampfes in Chicago, weil er nicht wieder den Hasen spielen wollte.

Statt dessen orientierte er sich in Richtung Berlin, während sich Chicago

die Neuauflage des Duells zwischen Khannouchi und Tergat sicherte.

Nun wird es in Berlin ohne Haile Gebrselassie sicher nicht so schnell,

dafür aber könnte der Kampf um den Sieg aber wesentlich spannender

werden. Am Start sind gleich drei Berlin-Sieger früherer Jahre: Joseph

Ngolepus (Kenia) will beweisen, dass sein überraschender Coup vor einem

Jahr keine Eintagsfliege war. Simon Biwott kehrt als Vize-Weltmeister nach

Berlin zurück. Der Kenianer hatte vor zwei Jahren in Berlin gewonnen und

wurde dann Zweiter in Edmonton. Ob dagegen Ronaldo da Costa noch einmal eine

Rolle spielen kann, muss man eher bezweifeln. Der Brasilianer hatte 1998

sensationell in Berlin die Weltbestzeit auf 2:06:05 Stunden verbessert, konnte

diese Form jedoch in allen seinen folgenden Marathonrennen nicht mehr

bestätigen.

Interessant wird zudem, inwieweit Moses Tanui noch einmal an seine besten

Zeiten anknüpfen kann. Der 37-jährige Kenianer, früher einer der

besten Bahnläufer (1991 Weltmeister über 10.000 m und 1993 Zweiter,

nachdem er im Zweikampf mit Haile Gebrselassie einen Schuh verloren hatte),

lief seine Marathon-Bestzeit 1999 in Chicago. Damals war er in 2:06:16 Stunden

Zweiter. Das ist bis heute die fünftbeste Zeit aller Zeiten. Nach einer

schwächeren Phase meldete er sich mit dem Sieg beim Wien-Marathon im Mai

zurück.

Im vergangenen Jahr war es allerdings das Frauen-Rennen, das in Berlin im

Mittelpunkt stand. Und das könnte dieses Mal erneut passieren. Ein Jahr

nach ihrem letzten Marathon wird Naoko Takahashi wiederum in Berlin an den

Start gehen. Die Japanerin hatte 2001 mit der ersten Zeit einer Frau unter 2:20

Stunden ein Stück Leichtathletik-Geschichte geschrieben. Daran

änderte auch die Tatsache nichts, dass Naoko Takahashi die Bestzeit

bereits nach einer Woche wieder an die Chicago-Siegerin Catherine Ndereba

(Kenia/2:18:47) verloren hatte. Doch einen Weltrekord-Versuch kündigt die

30-jährige Japanerin in diesem Jahr nicht an. Verletzungsbedingt konnte

sie erst spät mit dem Training beginnen. Wie gut die Olympiasiegerin Naoko

Takahashi in Form sein wird, wird man erst am 29. September wissen. Denkbar

ist, dass es bei hohem Tempo zu einem Duell kommt. Denn die Mexikanerin Adriana

Fernandez, die 1999 den New-York-Marathon gewann, will in Berlin ihre Bestzeit

von 2:24:06 Stunden deutlich verbessern. Eine gute Rolle könnte einmal

mehr Kathrin Weßel (SCC Berlin) spielen, die vor einem Jahr als Dritte

persönliche Bestzeit mit 2:28:27 Stunden lief und nun als Favoritin auf

die Deutsche Meisterschaft startet. Auch bei den Männern gibt es mit

Carsten Eich (LG Braunschweig) einen klaren Favoriten.

Für die Berliner ist alleine schon der Start von Naoko Takahashi Gold

wert. So wird das Rennen erneut live nach Japan übertragen, wo vor einem

Jahr fast jeder zweite Japaner den Lauf der Volksheldin Takahashi im Fernsehen

verfolgte. Das wiederum lockt erneut mehr Sponsoren als in früheren

Jahren. Und der Etat stieg nochmals leicht auf inzwischen rund drei Millionen

Euro.

In Chicago betrug der Etat schon im vergangenen Jahr rund 10 Millionen

Dollar. Das macht sich entsprechend im Starterfeld bemerkbar. Und auch die

Siegprämie ist etwa doppelt so hoch wie in Berlin. Zum ersten Mal geht es

um 100.000 Dollar. Erst einmal gab es bei einem Marathon ein derartiges

Preisgeld: Die Sieger des 100. Boston-Marathons 1996 verdienten ebenfalls

jeweils 100.000 Dollar.

So ist auch bei den Frauen der Chicago-Marathon, gemessen an der Besetzung,

die Nummer eins im Herbst. Hier kommt es zum Duell zwischen Catherine Ndereba

und der schnellsten Debütantin aller Zeiten, Paula Radcliffe

(Großbritannien). Bei ihrem Debüt in London hatte Radcliffe die

Weltbestzeit der Kenianerin nur deswegen um neun Sekunden verpasst, weil sie

nicht rechtzeitig wusste, dass sie so dicht dran war. Die Uhr auf dem

Führungsfahrzeug war ausgefallen, und so blieb Paula Radcliffe in 2:18:56

„nur“ die europäische Bestzeit. Wenn in Chicago die

Wetterbedingungen gut sind und sich kein langsames, taktisches Rennen

entwickelt, wäre eine neue Weltbestzeit keine Überraschung.

„Das wird ein hartes Rennen. Mit einer weiteren Läuferin, die schon

unter 2:19 Stunden gelaufen ist, wird es nicht witzig“, sagte Catherine

Ndereba, nachdem sie Ende August ein 10-Meilen-Rennen in Flint (USA) in 52:09

Minuten gewonnen hatte. Zu Chicago sagte sie: „Ich hoffe, dass ich meinen

eigenen Rekord brechen kann.“

Im Vergleich mit Chicago hält auch New York nicht mit, obwohl hier im

letzten Jahr gleich beide Streckenrekorde fielen. Und obwohl bei dem

Marathon-Spektakel mit voraussichtlich gut 30.000 Startern das stärkste

Frauen-Feld an den Start gehen wird, das New York bisher gesehen hat. Neben der

Vorjahressiegerin Margaret Okayo (Kenia), die im April in Boston in 2:20:43 vor

Catherine Ndereba gewann, sind die Osaka-Siegerin Lornah Kiplagat (2:23:55) und

Susan Chepkemei (alle Kenia), im Rennen. Ihr Debüt gibt außerdem die

sehbehinderte US-Langstrecklerin Marla Runyan. Bei den Männern wird mit

dem Start des Vorjahressiegers Tesfaye Jifar (Äthiopien/2:07:43)

gerechnet.

ALLE FAKTEN ZU DEN GROSSEN HERBSTMARATHONRENNEN

29. September: real,- BERLIN-MARATHON

TV-Übertragung: 8.35 ARD und B1 (ARD bis 11.30 Uhr, B1 bis 14.30

Uhr)

Anmeldungen: 41.376 Teilnehmer (33.000 Läufer, 8.369 Inline-Skater, 121

Rollstuglfahrer, 134 Power-Walker) aus 90 Nationen und 7.223 Jugendliche beim

real,- MINI-MARATHON

Siegprämie: 30.000 Euro

Weltrekordprämie: 90.000 Euro plus Smart

Streckenrekorde: 2:06:05 Ronaldo da Costa (BRA/1998) – 2:19:46 Naoko

Takahashi (JPN/2001)

Favoriten: Simon Biwott (KEN/2:07:41), Moses Tanui (KEN/2:06:16), Joseph

Ngolepus (KEN/2:08:47), Jackson Kabiga (KEN/2:08:42), Joseph Kahugu

(KEN/2:07:59), Domingos Castro (POR/2:07:51), Ronaldo da Costa (BRA/2:06:05),

Muneyuki Ojima (JPN/2:08:43).

Favoritinnen: Naoko Takahashi (JPN/2:19:46), Adriana Fernandez (MEX/2:24:06),

Hellen Kimutai (KEN/2:26:42), Kathrin Weßel (GER/2:28:27), Shitaye

Gemechu (ETH/2:28:40).

6. Oktober: Ford-Köln-Marathon

TV-Übertragung: vorauss. WDR

Anmeldungen: 17.529 Läufer (plus 5281 Inline-Skater)

Siegprämie: Ford Galaxy

Streckenrekorde: 2:10:55 Carsten Eich (GER/1998) – 2:27:29 Angelina

Kanana (KEN/1997)

Favoriten: Simon Lopuyet (KEN/Bestzeit: 2:08:19), Andrew Sambu (TAN/2:10:14),

Andrej Gordejew (BLR/2:11:44), Artur Osman (POL/2:11:46), Wilson Kibet

(KEN/2:13:54).

Favoritinnen: Claudia Dreher (GER/2:27:55), Mary Ptikany (KEN/2:32:21)

13. Oktober: LaSalle-Chicago-Marathon

TV-Übertragung: vorauss. nicht in Deutschland

Anmeldungen: 37.500 Läufer

Siegprämie: 100.000 Dollar

Weltrekordprämie: 150.000 Dollar

Streckenrekorde: 2:05:42 Khalid Khannouchi (MAR/1999) – 2:18:47 Catherine

Ndereba (KEN/2001)

Favoriten: Khalid Khannouchi (USA/2:05:38), Paul Tergat (KEN/2:05:48), Peter

Githuka (KEN/2:08:02), John Kagwe (KEN/2:08:12), Ben Kimondiu (KEN/2:08:52),

Gert Thys (RSA/2:06:33).

Favoritinnen: Paula Radcliffe (GBR/2:18:56), Catherine Ndereba (KEN/2:18:47),

Yoko Shibui (JPN/2:23:11), Swetlana Schakarowa (RUS/2:22:31), Masako Chiba

(JPN/2:25:11), Deena Drossin (USA/2:26:28).

3. November: New-York-Marathon

TV-Übertragung: vorauss. Eurosport

Anmeldungen: vorauss. 30.000 Starter

Siegprämie: 80.000 Dollar plus Pontiac

Weltrekordprämie: 65.000 Dollar

Streckenrekorde: 2:07:43 Tesfaye Jifar (ETH/2001) – 2:24:21 Margaret

Okayo (KEN/2:24:21)

Favoriten: Tesfaye Jifar (ETH/2:06:49) – weitere noch nicht

bekannt.

Favoritinnen: Margaret Okayo (KEN/2:20:43), Lornah Kiplagat (KEN/2:22:36),

Susan Chepkemei (KEN/2:23:19), Marla Runyan (USA/Debüt).

Weitere Marathon-Termine im Herbst 2002:

13. Oktober München

20. Oktober Amsterdam

27. Oktober Frankfurt

27. Oktober Washington

27. Oktober Venedig

27. Oktober Dublin

17. November Monte Carlo

17. November Tokio (Frauen)

1. Dezember Fukuoka (Männer)

8. Dezember Honolulu

Die größten Marathonläufe des Jahres 2001

1. London 30.071

2. Chicago 28.771

3. Berlin 25.792

4. New York 23.664

5. Paris 22.343

6. Honolulu 19.236

Gezählt wurden nur Läufer, die das Ziel erreichten.

Aus: Runner’s World, USA