Zum Jubiläum hat Deutschlands größter Frauenlauf neue
Maßstäbe gesetzt: Beim 20. AVON-RUNNING Berliner Frauenlauf wurden
erstmals über 10.000 Frauen und Mädchen registriert. Genau 10.528
Läuferinnen aus 44 Nationen nahmen an diesem Festival des Laufsports im
Berliner Tiergarten teil. Darunter waren 5.135 über die 5-km-Distanz,
4.704 über 10 km sowie 689 Kinder, die 800 Meter rannten. Tausende
Zuschauer säumten die Strecke im Tiergarten. Das Hauptrennen über 10
km gewann die Kenianerin Lenah Cheruiyot in 33:26 Minuten vor Kathrin
Weßel (SCC Berlin/33:34) und Sonja Oberem (Bayer Leverkusen/33:39).
Nachdem Sonja Oberem das Tempo lange Zeit bestimmt hatte, war nur noch eine
Läuferin übrig geblieben, die die Pace mitgehen konnte: Lenah
Cheruiyot war nicht zu schlagen. “Bei Kilometer sieben wusste ich, dass
ich gewinnen würde“, sagte die 29-jährige Kenianerin
später. Bald darauf löste sie sich von Sonja Oberem, die dem hohen
Tempo am Ende deutlich Tribut zollen musste und noch von der Vorjahressiegerin
Kathrin Weßel überholt wurde. “Dieser Lauf hat mir sehr
gefallen. Es ist toll, in so einem großen Rennen nur mit Frauen zu
laufen. Und die Zuschauerunterstützung und Atmosphäre waren
hervorragend“, sagte Lenah Cheruiyot. Knapp zwei Monate zuvor hatte die
Kenianerin bereits beim Bewag BERLIN HALBMARATHON als Zweite überzeugt.
Zunächst will Lenah Cheruiyot, die zur Detmolder Trainingsgruppe von
Manager Volker Wagner gehört und unter anderen mit Tegla Loroupe und Joyce
Chepchumba trainiert, bei den kürzeren Straßenläufen bleiben.
Ihre 10-km-Bestzeit ist eindrucksvoll: In 31:21 Minuten gewann sie im
Frühjahr 2002 in Paderborn.
Dass es beim AVON RUNNING im Tiergarten langsamer war, hing mit den hohen
Temperaturen aber auch mit der neuen Strecke zusammen, die einige scharfe
Kurven hat. “Die Strecke ist aufgrund der Kurven anspruchsvoller, weil
man öfter abstoppen muss. Aber für die gesamte Veranstaltung ist sie
besser als früher“, sagte Kathrin Weßel. Als die Deutsche
Marathonmeisterin im vergangenen Jahr gewonnen hatte, hatte sie sich am Ende
durch die überrundeten Läuferinnen hindurchschlängeln
müssen. Derartige Schwierigkeiten gab es dieses Mal nicht. Für
Kathrin Weßel war der AVON-RUNNING Berliner Frauenlauf ein gelungener
Test für den Regensburg-Marathon am nächsten Sonntag. “Erst
danach entscheide ich über den weiteren Verlauf der Saison.“
Am meisten freute sich am Sonnabend Abend die Drittplatzierte: Fast sieben
Monate lang war Sonja Oberem kein einziges Rennen gelaufen. Nun meldete sie
sich in Berlin zurück. 33:39 Minuten lief die 30-jährige
Leverkusenerin. Dass Sonja Oberem überhaupt gestartet war, dazu bedurfte
es erst einer Überredung durch Mark Milde, der für die Verpflichtung
der Topathleten zuständig ist. “Er rief mich an und überzeugte
mich. Und dadurch hatte ich auch wieder ein Ziel“, erzählte Sonja
Oberem. Der größte deutsche Frauenlauf brachte der stärksten
deutschen Marathon-Frau bei Temperaturen von 30 Grad die Lust am Laufen
zurück. “Es war toll, hier mit 10.000 Frauen zu laufen. Jeder
Veranstalter sollte sich das ansehen und als Vorbild nehmen, was hier
läuft“, sagte Sonja Oberem.
Es ist noch nicht lange her, da hatte die Leverkusenerin “null
Motivation“, und die Marathon-EM-Dritte von München 2002 dachte
sogar an ein abruptes Karriereende. Am 3. November hatte sie zum zweiten Mal in
Folge den Athen-Marathon gewonnen. “Doch danach ging nichts mehr, ich war
völlig ausgebrannt.“ Hinzu kam, dass sie eine Ischiasentzündung
mit sich herum geschleppt hatte. “Ich habe über Jahre hinweg immer
auf das Gas gedrückt“, erzählt Sonja Oberem, die eine
Marathon-WM-Bilanz hat, die in dieser Form international einmalig ist: Zwischen
1995 und 2001 belegte sie bei den im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden
Titelkämpfen die Plätze acht, sieben, sechs und fünf.
Doch während die meisten Weltklasseläuferinnen nicht mehr als zwei
Marathonrennen im Jahr laufen, rannte Sonja Oberem 2001 drei und im vergangenen
Jahr sogar vier: Sie gewann in Hamburg im April, wurde Dritte bei der EM im
August, lief in Berlin im September trotz einer Interviewpause für das
Fernsehen noch auf Platz elf und gewann schließlich in Athen.
Nach Athen lief nichts mehr. “Der Körper gab mir das Signal
– es war Zeit für eine längere Pause.“ Monatelang fuhr
Sonja Oberem nur Rad, erst vor sechs Wochen begann sie wieder mit dem
Lauftraining. Unter diesen Umständen war das Comeback beim Avon-Frauenlauf
ein Erfolg. “Ich habe mich vorher nicht unter Druck gesetzt. Aber wenn
ich am Start stehe, dann laufe ich auch richtig“, sagt Sonja Oberem. So
könnte Berlin ein Meilenstein in Richtung Paris gewesen sein. “Als
Touristin fahre ich nicht zur WM. Ich werde dort nur starten, wenn ich ein
bestimmtes Leistungsniveau habe und damit auch gewisse Chancen.“ Doch
seit Sonnabend Abend erscheint ein WM-Start wieder möglich. Kathrin
Weßel sagte: “Wenn Sonja erst einmal läuft, dann läuft
sie.“
Ergebnisse, 10 km:
1. Lenah Cheruiyot Kenia 33:26
2. Kathrin Weßel SCC Berlin 33:34
3. Sonja Oberem Bayer Leverkusen 33:39
4. Carmen Siewert LG Vorpommern 34:50
5. Katrin Dörre-Heinig LAC Veltins Hochsauerland 36:12
6. Melanie Kraus Bayer Leverkusen 36:28
5 km:
1. Cathleen Thiele Polizei SV Berlin 19:31
2. Angelika Ehebracht Potsdamer SC 19:35
3. Bianka Buß Berlin 19:37