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Aufbruch in eine bessere Zukunft?

Ein Schritt vor, ein Schritt zurück – der Leidensweg der deutschen

Mittel- und Langstrecker auf den Mehr-Runden-Distanzen geht weiter. Konnte

Isabelle Baumann vor Jahresfrist noch auf eine leichte Trendwende mit Rang acht

beim olympischen 5000 m-Finale und zwanzig Deutschen unter der national

bedeutsamen 14-Minuten-Barierre bauen, sieht dies am Ende der Saison 2001 schon

wieder merklich düsterer aus. Genosse Trend hat sich abgewendet. Der

Spitzenreiter lief an Stelle 13:21,47 (Arndt) lediglich 13:33,86 (Fitschen),

die Zahl der Unter-14-Minuten-Läufer ist auf bedenkliche zwölf

geschrumpft. Und über 10 000 m sieht es keinen Deut besser aus, eher ist

der Absturz noch dramatischer. Im Vorjahr schloss Jirka Arndt mit 28:22,17 noch

einigermaßen die Lücke, die sich durch das Fehlen von Dieter Baumann

aufgetan hatte, heuer führt Thomas Greger mit seinen im

Meisterschaftsrennen von Kandel erzielten 28:41,16 die Rangliste an. Die Decke

der unter 29:00 Minuten-Läufer ist mit fünf bzw. drei Läufern

(unvermindert) katastrophal schwach.

„Das war ein ausgesprochenes Seuchenjahr“ gestand Arndt-Trainer

Axel Pohlmann mit Blick auf eine nicht vorhandene Wettkampfsaison 2001.

„Ausgangspunkt waren Achillessehnenbeschwerden, die sich schon im

Olympiajahr eingestellt hatten – und nicht auskuriert wurden. Zu wenig

Geduld, intensives Training und Fehlbelastungen, es war einfach ein

Teufelskreis!“ Auf dem Weg zum Marathondebüt beim Berlin-Marathon

kam letztlich noch eine Oberschenkelhalsfraktur hinzu, die den Potsdamer schon

nach fünf Kilometern zum Aussteigen zwangen. „Wir werden dies

konservativ behandeln und ausschließlich mit Wasserjogging die EM-Saison

vorbereiten!“ blickt Pohlmann jedoch weiter optimistisch in die

unmittelbare Zukunft. „Und diese heißt Marathon ohne

Kompromisse!“

Mit 13:26,43 stand Sebastian Hallmann am Ende der Olympiasaison mit

glänzenden Perspektiven da, ein Jahr später nunmehr mit leeren

Händen und lediglich 13:48,53 aus dem DM-Finale. Was ist passiert?

„Es ist eine lange Geschichte“, verrät Bernhard Hallmann,

Vater und Betreuer von Sebastian Hallmann, „muskuläre Dysbalancen

haben den gesamten Saisonaufbau durcheinander gebracht!“

Wirbelsäulenblockade, Weisheitszähne, Hallmanns Krankengeschichte ist

eine lange, letztlich doch endliche Geschichte. „Seit den Behandlungen

bei einem Kinesiologen geht wieder aufwärts“, verriet Trainer

Hallmann und schickte seinen Sohn zum Grundlagen-Ausdauertraining im Oktober

nach Mallorca. Noch im Dezember möchte sich Sebastian Hallmann wieder

zurückmelden in das Wettgeschehen. Schließlich ist ein EM-Start im

nahen Münchener Olympiastadion das erklärte Ziel des 24jährigen

Quelle-Läufers.

Dahin möchte auch der ein Jahr jüngere Mario Kröckert, der

sich heuer beim IAAF-Permit-Meeting in Mailand auf 13:37,56 steigern konnte.

Sein Trainer Paul-Heinz Wellmann ist nach einem vorzüglichen Auftritt

Anfang November beim Deutschen Cross-Cup auf der Merheimer Heide nicht einmal

so unglücklich über den vierwöchigen Unteroffizierslehrgang in

Frankenberg bis Mitte Dezember, der den jungen Bayer-Läufer etwas in

seinem (läuferischen) Tatendrang bremsen wird. Denn Mario Kröckert

wähnte sich gerade zu Beginn der Winter-Trainingsphase „noch nie so

schnell wie heute“, schließlich wird ein erster Kassensturz im

kommenden Sommer gemacht, wenn es um die EM-Nominierung geht.

Mit Jan Fitschen und Carsten Schütz weiss Wattenscheids Erfolgscoach

Tono Kirschbaum gleich zwei EM-Kandidaten in seinen Reihen. Vor allem dem 5000

m-Meister Fitschen sind noch weitere Leistungssprünge zuzutrauen, wenn er

sich künftig hauptsächlich der Zwölfeinhalb-Runden-Distanz

zuwendet. Die in Mailand erreichten 13:33,86 dürften für den 1500

m-Umsteiger noch längst nicht das letzte Wort bedeuten. „Fünf

Rennen innerhalb von nur vier Wochen haben doch kräftig

geschlaucht“, gestand Jan Fitschen nach dem Titelgewinn in Stuttgart.

Dennoch ist seine Zielsetzung klar: „Ich setze künftig auf 5000 m.

Die 1500 m werden allenfalls eine Zubringerstrecke sein, denn meine 3:41er

Bestzeit kann nicht alles gewesen sein!“ Ein Rätsel ist nicht nur

für Carsten Schütz der Leistungsabsturz, denn der Wattenscheider

Frontläufer brachte heuer lediglich 13:55,42 zu Stande, nachdem er im

Vorjahr die Olympianorm mit 13:26,81 nur hauchdünn verpasst hatte.

„Es war einfach ein Flautejahr“, blickt Carsten Schütz ratlos

zurück. „Die Trainingsergebnisse waren super, aber im Wettkampf lief

nicht viel zusammen. Vielleicht bin ich auch zu spät eingestiegen oder

habe im Training etwas überzogen. Ich habe jedenfalls keine rechte

Erklärung. Eines weiss ich aber: Im kommenden Jahr werde ich schneller als

13:26 laufen!“ Hallmann, Kröckert, Fritschen und Schütz, ein

starkes Quartett. Zumal Carsten Schütz noch eine weitere Option hat

– die 10 000 m-Strecke. „Ich werde bei der European Challenge

versuchen, die EM-Norm zu laufen. Warum nicht, ich habe doch nichts zu

verlieren!“

Bundestrainer Wolfgang Heinig, seit diesem Jahr neben der Marathonstrecke

auch für die 10 000 m zuständig, wird’s freuen. „Mit

Schütz, Lubina, Hedrit und vielleicht auch mittelfristig Kröckert

oder May lässt sich schon eher in Richtung 28:00 blicken. Nach der

zurückliegenden Saison muss man in einer Bilanz ganz nüchtern fragen:

Wer hat sich überhaupt mit dieser Strecke beschäftigt? Es waren

entweder zumeist Neueinsteiger oder, vorsichtig formuliert, Halbtalente der

Straße, die sich auf der Bahn versuchten! Das relativiert nämlich

die Bestenlistenergebnisse!“ Bei einer Wochenendtagung in Darmstadt

sollen noch Mitte November die Weichen für diese Disziplin gestellt

werden. „Ich denke, für jüngere Leute ist die 28:30

Minuten-Barriere durchaus machbar. Jetzt gilt es, die Interessen im Sinne der

Disziplin zu bündeln!“ Aus der Sparte Hoffnungsträger setzt

Nachwuchs-Bundestrainer Henning von Papen vor allem auf Arne Gabius (81), Andre

Pollmächer (83), Martin Uhlich (83) und Toni Mohr (83), allesamt junge

Burschen, die „ein hohes Langstrecken-Potenzial“ haben. Vor allem

aber auf den kürzeren Distanzen 1500 m und 3000 m eine „gute

Entwicklung“ genommen haben, obgleich diese keineswegs mit achtzehn bzw.

zwanzig Jahren abgeschlossen ist.

Wilfried Raatz (aus LA 46/01)