In einer jeweils elf-teiligen Serie haben wir ins im Vorfeld der XXVIII.
Olympischen Spiele in Athen mit den Favoriten der Läufe ab 800 m
aufwärts bei Männern und Frauen befaßt – sowie auch die
vergangenen 104 Jahre seit 1896 in Athen Revue passieren lassen mit der
Beteiligung und den Erfolgen der deutschen Teilnehmer.
Wie Favoriten zum Häufchen Elend werden können
– zeigte der Marathonlauf der Frauen mit Paula Radcliffe. Olympia ist
anders – wieder setzte auch hier der Marathonlauf der Männer in
jetzt 108 Jahren seinen vielen Legenden und Histörchen eine weitere
Fortsetzung hinzu, allerdings für Vanderlei da Lima aus Brasilien, dem
führenden Läufer im Marathon bis Kilometer 37, mit fatalem
Ausgang.
Geistig verwirrter 57jährige Cornelius Horan
Der geistig verwirrte 57jährige Cornelius Horan, ehemaliger katholischer
Priester aus Irland, ein Wiederholungstäter, drängte den
führenden Läufer von der Strecke an den Straßenrand. Horan
wurde danach zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und 3000 Euro
Geldstrafe verurteilt. Nur das bringt dem späteren Bronzemedaillengewinner
Lima nicht die Goldmedaille, die er vielleicht hätte gewinnen können,
zurück.
Wenn in unserer historischen Olympia-Serie die Erfolge nebst Platzierungen
der deutschen Teilnehmer seit 1896 aufgelistet wurden, so kann jetzt in der
Fortsetzung und im Resümee von ATHEN nicht allzuviel darüber
Positives geschrieben werden, denn das Resultat war mehr als deprimierend
für die deutschen Läuferinnen und Läufer, selbst wenn man im
Vorfeld schon relativ pessimistisch war.
Hier alle Laufwettbewerbe der deutschen Teilnehmer bei Frauen und
Männern ab 800 m aufwärts, entsprechend der Serie:
Frauen:
800 m: Claudia Gesell – 4. im Vorlauf mit 2:03,87 ausgeschieden
1500m: Keine deutsche Teilnehmerin am Start
5000 m: Finale: 7. Irena Mikitenko - 15:03,36
10.000 m: Finale: 15. Sabrina Mockenhaupt - 32:00,85
Marathon: 18. Luminita Zaituc 2:36:45
Ulrike Maisch aufgegeben
Männer:
800 m: René Herms – 8. im Halbfinale 1:47,68
1500 m: Wolfram Müller - im Vorlauf mit 3:46;75 ausgeschieden
5000 m: Kein deutscher Teilnehmer am Start
10.000 m: Kein deutscher Teilnehmer am Start
Marathon: Kein deutscher Teilnehmer am Start
3000 m Hindernis: Kein deutscher Teilnehmer am Start
79 deutsche Leichtathleten wurden nominiert, 71 davon sind gestartet im
452-köpfigen deutschen Olympiaaufgebot. 2 Silbermedaillen gab es im
Kugelstoßen durch Nadine Kleinert und im Speerwerfen durch Steffi Nerius
– das war’s dann auch schon.
Das schlechteste Ergebnis seit Stockholm 1912 (auch 2 Silbermedaillen durch
Hans Liesche im Hochsprung und Hanns Braun über 400 m). Die schwedischen
Leichathleten reisten mit 12 Athleten an und gewannen drei Goldmedaillen.
Deutschland liegt zusammen mit Südafrika auf dem 24. Platz der
Medaillenränge hinter Rumänien.
Die Gesamtrechnung muß man allerdings auch relativieren, das
berühmte Mutterland des Sports Großbritannien holte auch nur 4
Medaillen, davon aber 3 Goldmedaillen, Frankreich ging ganz leer aus.
Aber wenn die deutschen Erbsenzähler tradtionell auch die Plätze bis
zehn zuzählen, wird die deutsche Bilanz leider auch nicht viel
besser.
Unsägliche Fernsehauftritte
Wenn dann die deutschen Athleten in ihren unsäglichen Fernsehauftritten
eine Minute nach dem Zieldurchlauf mit den blödsinnigen Interviewfragen
der Reporter sich auch noch verbal zusätzlich mit peinlichen
Formulierungen gänzlich blamierten, dann fragt man sich schon, weswegen
sie nach ATHEN fahren durften.
Die Läufer und Läuferinnen des DLV „glänzten“
durch den 7. Platz von Irena Mikitenko im 5000 m Lauf.
Wer die Erfolgsgeschichte der deutschen Läufer der letzten 104 Jahre der
„Olympia-Erinnerungsserie“ noch im Kopfe hat, dem treibt’s
die Tränen in die Augen – oder man sieht ATHEN als eine negative
Ausnahme an nach der Devise „andere sollen auch mal
gewinnen“.
Aber diese Einstellung kann sich bitter rächen, wenn man an einer
Weiterentwicklung des Spitzen- und Leitungssports Leichtathletik in Deutschland
interessiert ist.
„Schlimmer geht’s immer“ titelte die
Frankfurter Rundschau über das Ergebnis der deutschen Leichtathleten
insgesamt. DLV Vizepräsident Rüdiger Nickel hat schon seinen Hut
genommen, das ist sicherlich nobel, das macht aber die Athleten nicht besser
und schneller und entschuldigt auch nicht das schlechte Abschneiden und die
teilweise seltsame Einstellung der Aktiven zum eigentlichen Höhepunkt
ihrer sportlichen Laufbahn.
"5" />„Dabei sein“ ist nicht mehr alles, das war
früher – „vorne dabei“ sein heißt heute die
Devise.
Die Amerikaner hatten auch jahrzehntelang seit 1984 in Atlanta (Benoit) keine
Medaille mehr im Marathon – obwohl die USA die Hochburg der Jogger und
der großen Laufevents sind, jetzt haben die plötzlich 2
Aushängeschilder und läuferische Vorbilder im Marathon.
Deena Kastor (Bild re.) holte sich die Bronzemedaille bei den Frauen –
und wie es der Zufall will, am Sonnabend vor dem Männermarathon traf ich
im Olympiastadion Dave Martin, aus dessen Buch der „Olympischen
Marathonläufe“ in der Olympia-Erinnerungsserie viel zitiert wurde.
Der sagte mir dann: „Noch ein Kilometer weiter und Kastor hätte
gewonnen und morgen wird wieder ein Amerikaner auf dem Podium stehen“.
Auf meine ungläubige Frage: „Na, wer denn?“ erklärte er
mir dann, wie die US-Marathonläufer auf die Hitze in ATHEN eingestellt
wurden und daß man mit ihnen das richtige Trinken regelrecht
„eingepaukt“ hatte.
Dr. Dave Martin sollte recht behalten. Bis zum Halbmarathon war auf der
großen Anzeigetafel im historischen Olympiastadion kein Amerikaner zu
sehen, doch plötzlich schob sich danach einer mit dem unaussprechlichen
Namen Mebrahtom Keflezighi nach vorne.
Auch der Weltrekordler vom real,- BERLIN-MARATHON Paul Tergat lag bis km 30 als
Vierter in der Spitzengruppe noch gut im Rennen.
Doch von Insidern erfuhr man später über den Favoriten Tergat,
daß er bei km 25 sein eigenes Getränk verpaßte, irgendetwas
anderes getrunken hatte, danach bekam er Magenkrämpfe und fiel
zurück. Die letzten 5 km lief er in 16.02, - von 30 zu 35 km aber die 5
Kilometer in 14.47, die letzten 2,195 km in 8.06 min.
Der einzige Kommentar von Paul Tergat zum Rennen: „Sehr, sehr
hart“!
Lima feierte Bronze wie Gold
Von 101 Marathonläufern kamen 81 ins Ziel, viele mit Tränen in den
Augen, denn das ehrwürdige Panathinaikon-Stadion von 1896, sowie der Lauf
auf der historischen Strecke hat viele der Teilnehmer emotional stark
beeindruckt. Die Siegerzeit von Stefano Baldini (ITA) von 2:10:55 auf der
schwierigen, hügeligen, schattenlosen und endlos geraden Strecke ist eine
Leistung sondergleichen.
Lima feierte dann seine Bronzemedaille wie Gold und auch das Publikum im
Stadion applaudierte ihm stärker als den Sieger.
Keine Vorbilder mehr in Deutschland
Lima erhielt zusätzlich die Pierre-de-Coubertin Fair-play Medaille
für sein sportliches faires Verhalten überreicht. Der vorausgesagte
Podiumsplatz des US Amerikaners Kegflezighi in 2:11:29 bringt die Laufwelt in
den Vereinigten Staaten wieder auf einen geraden Kurs der Weiterentwicklung im
Langstreckenbereich, was man sich für Deutschland auch gewünscht
hätte – aber wenn keiner für Deutschland läuft, kann es in
Zukunft auch keine Vorbilder gegen!
Hoher Stellenwert des Marathon
Die Siegerehrung der Marathonläufer bei der großen
Abschlußfeier im Olympiastadion durch den IOC Präsidenten Jacques
Rogge und IAAF Präsident Lamine Diack zeigt den hohen und symbolischen
Stellenwert des Marathon, den dieser in der Welt des Sports einnimmt.
Allan Steinfeld vom New York Marathon hatte schon das richtige
„Händchen“ als er Deena Kastor, die Bronzemedaillengewinnerin
im Marathon als das große Laufvorbild für die USA schon vor ihrem
Triumph in ATHEN auf die Titelseite seines Laufmagazins setzte. Neben dem New
York Marathon, waren auch Chicago, London und Berlin in ATHEN vertreten, um so
direkt bei den Enttäuschungen auf der einen Seite, wie auch den
begeisternden Leistungen der Läufer und Läuferinnen vor Ort dabei zu
sein.
Dankeschön an die Volunteers
„Unvergeßliche, traumhafte Spiele“ waren die Worte des IOC
Präsidenten Rogge zum Abschluß. Damit gingen in ATHEN zu
Füßen der Akropolis die Spiele zu Ende - da meinte er einerseits die
sportlichen Leistungen der Teilnehmer, über deren Wertigkeit „Otto
Normalverbraucher“ immer mehr Zweifel anmeldet – aber sicherlich
setzte Rogge mit seinen Worten auch den vielen ungenannten Volunteers ein
bescheidenes verbales Dankeschön. Die Helfer der Spiele waren das Herz der
gigantischen Sportmaschinerie, sie erst brachten mit ihrer Freundlichkeit und
Zuvorkommenheit allen internationalen Besuchern und Gästen gegenüber
das menschliche Antlitz des Sports an antiker Stätte zum
Leuchten.
Peking 2008
Der Blick geht nach Peking 2008 und wie sich schon durch 110 m Hürdensieg
von Liu Xiang (CHN) und Xing Huina (CHN) im 10.000 m Lauf der Frauen leise
ankündigte, wird es zukünftig nicht nur für die deutschen
Leichtathleten immer schwerer überhaupt noch vorne mitzuhalten, sondern
die traditionellen Leichathletiknationen werden dort in Peking wohl aus dem
Staunen nicht mehr herauskommen, wie sich nicht nur Afrika, sondern auch Asien
die Medaillen zukünftig untereinander teilen werden.
Nur noch Plazierungen in Zukunft
Die deutschen Leichathleten, wie auch insbesondere die Medien und die
Sportöffentlichkeit werden sich in der Zukunft wohl daran gewöhnen
müssen, mehr sich über Platzierungen zu freuen, als Medaillen zu
zählen.
Horst Milde
Die Serie über die olympischen Favoriten ist im Archiv ab Juli-August
in unserer Olympia Berichterstattung nachzulesen - ob der Tipp dann aufging -
oder platzte, können Sie jeweils in der chronologischen Abfolge auch im
Archiv dann nachverfolgen.
Wer sich über die Erfolge und Platzierungen der deutschen Läufer
und Läuferinnen der Vergangenheit erfreuen will, der kann 104 Jahre
olympische Geschichte hier nachlesen.
800 m der Frauen (Olympia historisch I):
www.berlin-marathon.com/news/show/002083
1500 m der Männer ( Olympia historisch II:)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002108
800 m der Männer (Olympia historischIII):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002126
1500 m der Frauen (Olympia historischIV):
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002143
5000 m der Frauen (Olympia historisch V)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002169
5000 m der Männer (Olympia historisch VI)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002199
10.000 m der Frauen (Olympia historisch VII)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002215
10.000 m der Männer (Olympia historisch VIII)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002237
3000 m Hindernis der Männer (Olympia historisch IX)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002267
Marathon der Frauen (Olympia historisch X)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002285
Marathon der Männer (Olympia historisch XI)
www.real-berlin-marathon.com/news/show/002314