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Absturz vom Wolkenkratzer - Süreyya Ayhan

Von Robert Hartmann

Die Türkei verliert mit der gedopten Läuferin Süreyya

Ayhan eine falsche Volksheldin - Felix Sanchez schafft das Schnaufen

ab

Süreyya Ayhan wurde sofort aus dem Sportverkehr gezogen, nachdem sie

der Antidoping-Weltagengtur WADA eine mit Fremdurin manipulierte Dopingprobe

untergeschoben hatte. Die 26 Jahre alte Leichtathletin war in den vergangenen

Jahren rasant bis zur absoluten Spitzenathletin aufgestiegen, die in

München 2002 plötzlich und ohne „Vorwarnung“ den Titel

einer Europameisterin gewann. In diesem Sommer war sie überhaupt noch

nicht an den Start gegangen. Was allerdings ihrem Rhythmus entsprach, seitdem

sie auf den internationalen Kunststoffbahnen aufgetaucht war.

Nun ist der Beweis erbracht, dass sie in aller Ruhe mit einem verbotenen Mittel

in Höchstform gebracht wurde.

Schnell wurde sie in ihrer männerdominierten Heimat der

Liebling der Massen, besonders der Frauen. Ihr Staatspräsident Erecep

Erdogan telefonierte ihr zu allen Großereignissen hinterher, um alles

Gute zu wünschen.

Die Frauenrechtlerinnen gingen für sie auf die Barrikaden, um ihre Liebe

zu verteidigen. Sie hieß Yucel Kop und war ihr Trainer und

„Vater“, wie sie sagte. Die private Sache wurde im Parlament

diskutiert, und das Paar wurde erst rehabilitiert, nachdem er sich hatte

scheiden lassen und sie im Frühjahr geheiratet hatten. Ein Buch kam

über sie heraus unter dem aufmunternden Titel „Go Süreyya

go“.

Plötzlich muss auch der neue 5000-m-Weltrekord der erst 21

Jahre alten Türkin Elvan Abeylegesse mit einem dicken Fragezeichen

versehen werden.

Die gebürtige Äthiopierin, 1,59 m groß und 40 kg schwer, lief

am 11. Juni im norwegischen Bergen die Zeit von 14:24,69 Minuten. Womit sie

ihre persönliche Bestleistung um knapp eine halbe Minute steigerte. Das

war sehr ungewöhnlich und für Kenner des Langstreckenlaufs nicht mehr

nachvollziehbar. Bei Olympia wird man weitersehen.

Aber möglicherweise kennen sie und ihr Umfeld ein Wundermittel, mit dem

auch der weltbeste 400-m-Hürdenläufer Felix Sanchez von der

Dominikanischen Republik haussieren gehen könnte. Am Freitag

gewann er in Zürich zum 39. Mal in Folge.

Seine Taktik: Er kommt nie als Erster auf die Zielgerade, dann aber dreht er

nach Belieben auf. Schon vier Schritte vor dem Ziel legt er eine Hand ans

rechte Ohr, um von den Tribünen den Beifall heraus zu fordern.

Während auch dieses Mal hinter ihm seine Gegner reihenweise erschöpft

zu Boden sanken, was normal war, trabte er fünfzig Meter weiter und

schwang sich fast zwei Meter hoch auf eine Balustrade, um sich von den

Stehplatzbesuchern frenetisch feiern zu lassen.

Er atmete wie ein Spaziergänger, und wenn alles wahr ist, dann kann er

auch über Wasser gehen und endlich und als Erster das ewige Leben erfunden

haben. Nichts ist mehr unmöglich. Gleich nach der Ehrenrunde nahm der

Dopingkontrolleur ihn in Empfang.

Vor zwei Jahren war der Helfer übrigens sehr erfolgreich gewesen, als

der Marokkaner Brahim Boumali nach seinem Weltrekord über 3000 m Hindernis

als Doper überführt wurde.

In letzter Minute, am Sonntagnachmittag, meldeten die Agenturen,

Jerome Young sei beim Golden-League-Meeting in Paris am 23. Juli mit

dem Blutdopingmittel Erythropoietin, kurz EPO, auffällig

geworden.

Im Jahr davor war der Amerikaner noch Weltmeister in der Zeit von 44,50

Sekunden geworden, dieses Mal reichte es nur noch zum siebten und vorletzten

Platz in 45,84 Sekunden. Damit ordnete er sich ziemlich genau auf Platz 100 der

Weltrangliste ein. EPO war wohl das falsche Mittel. Anabolika wären viel

besser gewesen. Es scheint, als seien die Verzweiflung und Ratlosigkeit

groß gewesen.

Bei jenem Young handelt es sich um die gleiche Person, die bei den Olympischen

Spielen in Sydney 2000 gedopt war. Seine Funktionäre verheimlichten den

Tatbestand bis vor kurzem, und dann ging der Langsprinter seine Goldmedaille

verlustig.

Es gibt immer etwas zu tun, und die Überraschungen reißen

nie ab. Nicht alle vermögen sich davon zu stehlen.