Am ersten Sonntag im Oktober regnet es in Köln, immer. Zumindest seit
sieben Jahren, denn solange gibt es nun den Marathon in der Hauptstadt des
Rheinlands. Tradition ist auch ein mittleres Chaos beim Start des Rennens. Der
Unterschied zwischen Real- und Chipzeit ist in Köln rekordverdächtig.
Wer sich bei den vier Stunden Läufern einordnet, brauchte in Köln
mindestens 20 Minuten um die Startlinie zu sehen.
So stehen dann an diesem Sonntag Mittag - Köln ist wegen seiner
erfreulich späten Startzeit um 11.30 Uhr eines der letzten Reservate
für langlaufende Morgenmuffel - 14.376 Läuferinnen und Läufer,
wie immer reichlich beschallt mit heimischem Liedgut und meist in farbenfrohe
Müllsäcke gekleidet, im kalten sonnigen Deutz und wundern sich, warum
es nicht regnet und wieso das Läuferfeld in diesem Jahr so zügig auf
die Strecke geschickt wird. Zwei echte Verbesserungen.
Die Sportlerinnen und Sportler werden nach dem Start im rechtsrheinischen
Deutz auf die “Deutzer Freiheit“ entlassen und laufen dann gleich
über den Rhein ins linksrheinische Köln. Noch ein schneller Blick von
der Brücke auf die Kölner Altstadt und dann beginnt der
Köln-Marathon richtig.
In Köln sorgen die Zuschauer am Rand der Strecke für eine
einmalige Atmosphäre. Es gibt sicher kein zweites Rennen bei dem die
Zuschauer an so großen Teilen der Strecke so dicht am Läuferfeld
stehen und dabei einen so unglaublichen Lärm veranstalten. Oft sind die
Zuschauer so nahe, dass allenfalls zwei Läufer nebeneinander Platz finden.
Gänsehautatmosphäre. So muss sich Lance Armstrong am Thourmalet
fühlen.
Neumarkt, der Ring, Chlodwigplatz – auf den ersten sechs Kilometern
ist die Stimmung schon enorm. Auf den dann folgenden ruhigeren Kilometern
können die Sportler sich wieder ganz auf das Laufen konzentrieren. Vom
vielen Publikum entspannen, ruhig laufen, Rhythmus finden. Bei Kilometer zehn
kommt das Feld dann wieder zum Chlodwigplatz zurück, noch mehr Zuschauer,
noch mehr Lärm ...
Die Organisatoren hatten die gute Idee einen sternförmigen Streckenplan
zu entwerfen. Das Läuferfeld pendelt so insgesamt fünfmal zwischen
der Innenstadt und etwas weiter außerhalb gelegenen Stadtvierteln. Die
Läuferinnen und Läufer kommen also immer wieder an den Rand der
Innenstadt und motivierte Zuschauer können mit geringen Fußwegen das
Läuferfeld im allgemeinen oder ihre mitlaufenden Lieben im besonderen
problemlos immer wieder sehen. Das steigert die Atmosphäre
zusätzlich. Zuschauerzahlen sind bei einer so konstruierten Strecke
schlecht zu zählen. Die Schätzungen liegen deshalb an diesem Sonntag
auch zwischen 300.000 und 600.000.
In anderen Städten kann man sicher schneller Marathon laufen. Die
Kölner Strecke ist verwinkelt und kurvenreich. Das Wetter ist am ersten
Oktoberwochenende immer ein paar Grad zu kalt und es zieht um die Häuser.
Außerdem liefert das Publikum ein weiteres gutes Argument den Marathon
ruhig anzugehen. Viel zu sehr sind die Läuferinnen und Läufer damit
beschäftigt, die originellsten Sprüche auf den unzähligen
Transparenten am Straßenrand zu lesen, viel zuviel Zeit vertun sie damit,
die mitgereisten Verwandten und Freunde am Straßenrand zu finden und viel
zu sehr genießen die meisten diese Stimmung und die Zuschauer, die jeden
Fünf-Stunden-Läufer anfeuern, als wäre er Pantani auf dem Weg
zum Mont Ventoux .
Es gibt also genügend Gründe in Köln langsam zu laufen. Alles
andere würde dem Rheinischen Lebensgefühl zutiefst widersprechen.
Sich quälen um ein paar Minuten schneller zu laufen - Nicht hier ! Sollte
ein Läufer dann doch einmal schnell laufen und nicht mehr ganz frisch
aussehen, wird sie schon ein Zuschauer mit einem freundlichen “Jong,
maach höösch“ auffordern, einen Gang zurück zu nehmen.
Schnell unterwegs waren bei den Damen Tegla Loroupe (Kenia) in 2:33.48, vor
Manuela Zipse (Freiburg) in 2:38:06 und Ines Cronjäger (Hannover) in
2:44:37 und bei den Herren Benjamin Rotich (Kenia) in 2:12:03 vor Andrew Sambu
(Tansania) in 2:12:18 und Stephen Kiogora (Kenia) in 2:12:29.
Frank Bielefeld
(“höösch“ in der Sprache der Eingeborenen für
“ruhig, langsam“)