Südtiroler Erfolg durch „Laufbandkönig“ Reinhard
Harrasser
Aus dem Keller auf das Siegespodest: 37jähriger Sieger aus Bruneck
trainiert fast ausschließlich im eigenen Fitnessraum - Vorjahressieger
Gamachu Roba nur auf Rang drei – Französin Christine Lelan
Frauenerste – Ernüchterung auf den Straßen der Bayerischen
Landeshauptstadt: München schläft, wenn Marathon läuft –
Und dennoch: 9 000 Finisher lassen sich beim Medien-Marathon
begeistern
Laufmaschine
Es ist paradox: Reinhard Harrasser absolviert nahezu sein komplettes
Laufprogramm auf der „Laufmaschine“, wie der 37jährige
Südtiroler aus St. Lorenzen nahe Brunneck seine Trainingshilfe bezeichnet,
wird aus dem abgeschotteten Fitnesskeller auf die Straßen der bayerischen
Landeshauptstadt losgelassen – und gewinnt in 2:21:21 Stunden den 5.
medien.marathon.münchen, wie der viertgrößte Marathon
Deutschlands hinter Berlin, Hamburg und Köln, gemessen an den
Finisherzahlen auf der Marathondistanz, heißt.
„Wenn ich einmal herauskomme, dann ist das Laufen um so
schöner“, umreißt der Südtiroler das Erfolgsrezept seiner
freiwilligen Trainingstortur. „Auf der alten Laufmaschine, die ein Tempo
bis maximal 16 Stundenkilometer bzw. einen Kilometerschnitt von 3:46 nur
zulässt, komme ich natürlich nicht in die Versuchung zu
überpacen. Außerdem habe ich ideale Bedingungen und kann jederzeit
trinken!“
Vorjahressieger Gamachu Roba
Keine Probleme hatte der frühere Mittelstreckler Harrasser mit der
Tempogestaltung, als er nach dem Ausscheren der beiden Tempomacher André
Green und Hermann Achmüller resolut die Tempogestaltung vor dem
äthiopischen , der im Südhessischen lebt und trainiert,
übernahm. „Eigentlich wollte ich Bestzeit laufen, die ich im
Frühjahr in Neumarkt mit 2:19:27 aufgestellt hatte. Das war allerdings bei
dem zu flotten Anfangstempo nicht mehr möglich.
Aber – auch wenn ich erstmals in einem meiner sieben Marathonläufe
keine Bestzeit gelaufen bin, habe ich dennoch einen Erfolg: Ich habe
gewonnen!“ Und möchte damit seine Karriere an den berühmten
Nagel hängen, denn der Vater dreier Kinder ist als Leiter der
Außenstelle der deutschen CMA in Südtirol auch
berufsmäßig stark eingespannt, so dass ohne „schlechtes
Gewissen“ kaum Zeit zum geregeltem Training bleibt.
Ich bin nach München gekommen um zu
gewinnen!“
Eingangs des Englischen Gartens konnte Reinhard Harrasser endlich auch seinen
hartnäckigen Konkurrenten Roba abschütteln, der sich trotz
Trainingsrückstandes mutig an die Fersen des Südtiroler gehängt
hatte und trotzig im Ziel über seine Marschrichtung Antwort gab:
„Ich bin nach München gekommen um zu gewinnen!“ Aber auch den
erfolgsverwöhnten Äthiopiern fällt das Siegen schwer, wenn die
Form wie im Falle des Asylbewerbers aus Darmstadt nicht vorhanden
ist.
Konzept mit „local heroes“
Auch wenn Organisator Gernot Weigl mit Harrasser einen Südtiroler bei der
fünften Auflage des Medien-Marathons zum Sieg gratulieren sollte, sein
Konzept mit „local heroes“ sieht er keineswegs in Gefahr.
Schließlich fühlen sich die Südtiroler als „halbe
Bayern“ und stellten ein überaus großes Läuferkontingent
in München . Und letztlich folgte hinter Reinhard Harrasser mit Sascha
Burkhardt aus dem fränkischen Ebermannstadt ein Läufer aus dem
weißblauen Bundesland, weitere kamen hinter dem enttäuschenden
Vorjahressieger Roba mit Andreas Sterzinger und Johannes Hillebrand aus
Immestadt bzw. Gröbenzell auf die Folgeplätze.
Frauensituation
Ähnlich zudem die Situation bei den Frauen, wo mit Birgit Koch von der LG
Rupertiwinkel und der Würzburgerin Friedricke Back zwei
„Einheimische“ auf Zwei und Drei hinter der souverän voran
marschierenden Französin Christine Lelan ins schmucke, aber leider
ziemlich verlassene und zugige Olympiastadion einlaufen konnten.
2:46:18
Die französische Allroundläuferin schrammte wie auch
Männersieger Harrasser knapp an ihrem Hausrekord vorbei, durfte allerdings
nach einer gerade überstandenen Erkältung mit 2:46:18 und einer
Endzeit, die gerade einmal eine Minute schwächer ist als ihr
persönlicher Rekord, dennoch zufrieden sein, „weil es mir am Ende
noch sehr schwer gefallen ist!“ Den Spagat zwischen Beruf, Studium und
Leistungssport meisterte Birgit Koch mit Bravur, die wie im Vorjahr auf Rang
zwei einlaufen konnte, lange Zeit sogar auf einem 2:48er Kurs lag, aber wie
auch die Französin in der Endphase ihre Probleme hatte.
200 bis 240 Wochenkilometer
Ganz in den Rahmen der Weigl’schen Philosophie einer eher
breitensportorientierten Marathonveranstaltung passt auch der
Überraschungszweite der Männer als lupenreiner Amateur. Denn Sascha
Burkhardt arbeitet im Vier-Schichten-Rhythmus als Elektriker seine
40-Stunden-Woche ab und läuft zudem noch 200 bis 240
Wochenkilometer.
Der Ebermannstädter ist mit Dreißig ein Späteinsteiger, der vor
fünf Jahren spontan ein Laster gegen ein anderes eintauschte: Stopp mit
Rauchen und Start mit dem Kilometerlaufen. Und inzwischen mit frappierenden
Steigerungen aufwarten kann, wie nun auch die 2:25:06 unterstreichen.
„Ich würde heute noch rauchen, wenn nicht das Marathonlaufen
dazwischen gekommen wäre!“ Das dürfte die Krankenkassen
hierzulande sicherlich freuen. Wenn es doch noch mehr solcher
Spontanentschlüsse gäbe!
Eine schwarze Null im fünften Jahr
Mit 10 673 Anmeldungen, 9 317 Startern am nieseligen Sonntagmorgen und 9 031
Finishern können die Münchener Macher beim 5.
medien.marathon.münchen eine weitere Teilnehmersteigerung aufweisen. Eine
Zahl, die sich von 4. 397 bei der Neuauflage in München im Jahr 2000
längst mehr als verdoppeln ließ. Und letztlich zu einer
Konsolidierung der Marathonkasse derart beitrug, dass man im fünften Jahr
nun endlich eine „schwarze Null“ schreiben kann. Denn der Kaltstart
im Jahr 2000 erwies sich finanziell als katastrophal, weil die schnellen
Endzeiten der erstplatzierten Kenianer ein sechsstelliges Loch in den Etatplan
rissen.
Spar-Gernot
Spar-Gernot musste nach dem finanztechnisch katastrophalen Start
verständlicherweise die Reißleine ziehen und der Not gehorchend den
Slogan der „local heroes“ als preiswerte Variante kreieren. Ohne
Antrittsgelder und Prämien laufen nun die Helden auf den Straßen
Münchens zur Ehre – und wie 2005 für eine Skulptur eines
griechischen Künstlers, die Marathonmann Weigl beim Griechenland-Urlaub in
Auftrag gegeben hatte.
Belästigung – oder Bereicherung für die
Münchener?
Eine Frage konnte auch die fünfte Auflage des medien.marathon.münchen
nicht beantworten. Ob nämlich die Sightseeingtour der knapp Zehntausend
aus fünfzig Nationen durch die bayerische Landeshauptstadt eine
(vielleicht noch hinnehmbare) Belästigung der Bewohner Münchens sei
oder dank der zahlungswilligen Marathonläufer samt Anhang letztlich doch
eine Bereicherung der veranstaltungsreichen „Touristenmetropole“
darstellt. Die Münchener jedenfalls zeigten an diesem widrigen
Oktobersonntag den Marathonläufer die kalte Schulter.
Selten gab es bei einem Marathonlauf dieser Größenordnung so
wenig Stimmung am Streckenrand oder im Olympiapark samt ehrwürdigem
Olympiastadion. Da konnte auch die Schwabinger Partymeile mit einigen eher
verwaisten Weißbierständen nichts mehr retten. Die Läufer
jedenfalls kritisierten diesen Umstand eher gleichgültig. Vielleicht
lag’s auch an dem Disco-Nebel im Marathontor oder dem Laufsteg auf der
Zielgeraden, die Weigls Mannen längst ein gewisses Alleinstellungsmerkmal
im deutschen Marathonkalender sicherten.
Medienaward für „Poschi“
Bereits am Freitagabend wurde der Medien-Marathon seinem Namen gerecht, als der
ZDF-Sportchef Wolf-Dieter Poschmann den diesjährigen Medienaward erhielt.
Als Langstreckenläufer hatte „Poschi“ so manches heißes
Rennen auf der Bahn, im Crossgeläuf oder auf der Marathonstrecke
absolviert, als Journalist ist er in der schnelllebigen Medienlandschaft einer
der letzten Kämpfer für die Sendezeiten der Leichtathleten.
Auch wenn das Laufen in den (öffentlich-rechtlichen) elektronischen Medien
reichlich wenig vorkommt, weil sich unsere Schnellsten auch längst von der
Leistungsspitze verabschiedet haben.
Wilfried Raatz
5. medien.marathon.münchen (10.10.):
Ergebnisse:
Männer:
1. Reinhard Harrasser (ITA) 2:21:21, 2. Sascha Burkhardt (TSV Ebermannstadt)
2:25:06, 3. Gamachu Roba (ETH) 2:26:16, 4. Andreas Sterzinger (TV Immenstadt)
2:26:43, 5. Johannes Hillebrand (1. SC Gröbenzell) 2:28:46, 6. Jürgen
Austin-Kerl (LG Göttingen) 2:29:40, 7. Toni Gröschl (Post-SV
Rosenheim) 2:30:28, 8. Alberto Di Petrillo (ITA) 2:31:51, 9. Thomas König
(SuL Lößnitz) 2:32:15, 10. Hermann Achmüller (ITA) 2:32:12, 11.
Ulrich Gross (ITA) 2:32:47, 12. Josef Albert Steurer (AUT) 2:33:49, 13. Janusz
Wojcik (POL) 2:34:46, 14. Frank Honold (TSV Kusterdingen) 2:35:10, 15. Konrad
von Allmen ( SUI) 2:35:42, 16. Jürgen Sonneck (LG Dachau) 2:35:55, 17.
Alexander Scherl (SF Friedberg) 2:36:58, 18. Christian Stork (SC Rettenberg)
2:37:05, 19. Ulrich Wolf (TV Wetter) 2:38:42, 20. Andreas Punter (ITA)
2:38:43.
Frauen:
1. Christine Lelan (FRA) 2:46:18, 2. Birgit Koch (LG Rupertiwinkel) 2:52:38, 3.
Friedricke Back (LT SV Würzburg) 2:57:32, 4. Esther Heinold (TSG Wiesloch)
2:58:49, 5. Dagmar Klein (LG Rupertiwinkel) 2:59:47, 6. Helga Rauch (ITA)
3:00:55, 7. Brigitte Rupp (SC Roth) 3:01:04, 8. Bea Salvadori (SUI) 3:02:20, 9.
Nicola Morandini (ITA) 3:02:33, 10. Mary O’Leary (IRL/ FC Perlach)
3:02:54, 11. Eva Scheu (Team Bock) 3:05:54, 12. Sandra Lukaschek (LAZ
Obernburg-Miltenberg) 3:06:32.
Medienwertung:
Männer:
1. Konrad von Allmen (SUI) 2:35:42, 2. Engelbert Walter (Südwest-Presse
Ulm) 2:44:5, 3. Joachim Otto (Burda Medien) 2:46:13.
Frauen: 1. Andrea Neuner (Schott Musik International) 3:27:28, 2. Ulla Chwalisz
(Schaeffer-Poeschel-Verlag) 3:30:54, 3. Karin Heydgen (Südkurier GmbH
Konstanz) 3:32:10.