Nach intensiver Vorbereitung auf die 100 km deutsche Straßenmeisterschaft
in Kienbaum am 27. März 2004 wollten 4 SCCer den guten Trainingsstand
nutzen, um 8 Wochen später in Hamburg die 24 Stunden Meisterschaft in
Hamburg zu bestreiten.
Mit dem in Kienbaum hervorragend bewährten Betreuer/Coaching - Team
Franz Feddema und Hans-Jürgen Seydler ging es also gut vorbereitet nach
Hamburg.
Eine erste Streckenbegehung zeigte uns eine schwierige (da holperige und
eckige) Strecke. Nun gut, es ist heute in Deutschland eine undankbare Aufgabe
eine solche Veranstaltung auszurichten. Zusätzlich erschwerte das Laufen
die teilweise ungenügende Ausleuchtung der Strecke nachts. Grabkerzen
erlöschen nun mal bei starken Wolkenbrüchen gern. Genug geklagt, die
Bedingungen waren für alle gleich und sonst war die Veranstaltung gut
vorbereitet und wurde bis auf kleinere Schwächen professionell
durchgezogen.
Hier ein Dankeschön für die vielen ehrenamtlichen Helfer, ohne die
eine solche Großveranstaltung nicht funktionieren würde.
Es waren 115 Einzelläufer und 57 Mannschaften am Start!
Beim Start um 13:00 Uhr am Samstag waren die Temperaturen angenehm.
Allerdings schlug das Wetter fortwährend Kapriolen. Kaum warmgelaufen zog
sich der Himmel zu, die Temperaturen fielen und ein starker Wind tat sein
übriges, schnell auf lange Laufklamotten umzusteigen. Erste Regenschauer
kamen dazu.
Sehr schnell bekamen wir von unseren Betreuern eine erste Laufreihenfolge in
meiner AK (M55) mitgeteilt. (1. Claus Wilutzky Vereinskamerad, 2. Hans-Peter
Heise LG Nord Berlin, dann ich selbst). Ebenso wurde bei den beiden anderen vom
SCC verfahren (Simone Weiske, W35 und Ryan Shakal M40). Natürlich waren
diese Daten nach 4 bzw. 6 und 8 Stunden ohne große Aussagekraft, aber
interessant für jeden war es dennoch.
Meine Taktik war, die ersten 100 Kilometer in ca. 11 Stunden zu bestreiten.
Kein Gehen, außer kurz bei der Verpflegung und umziehen nur, wenn es
notwendig sein sollte. Dies war dann aufgrund der häufig wechselnden
Wetterlage doch öfter notwendig.
Durchweichte Socken mussten ausgezogen, die Füße neu mit
Hirschtalg eingeschmiert werden. Durchregnete und durch den kalten Wind
untragbare Sachen mussten durch trockene Kleidung ersetzt werden. Im Gegensatz
zu manchen anderen Teilnehmern hatte ich mehr als genug Wechselkleidung dabei.
Die Strecke im Stadion wurde durch die starken Regenfälle schmierig (lief
sich wie auf Schmierseife ;-). Graupel und leichter Hagelschauer fehlten auch
nicht. Dies alles bei ca. 3 Grad am frühen Morgen. Hatten wir
tatsächlich Ende Mai? Trotz allem war die Stimmung im Läuferfeld
locker. Es war interessant die Spitze zu beobachten (Frauen und Männer
– schön wenn man die meisten kennt). Interessant und wichtig war
aber auch das führende Trio bei der M55, gehörte ich doch noch dazu.
Wohl wissend, dass die Entscheidung sicher erst am nächsten Morgen
stattfindet. Der Abend nahte, Teatime an der Verpflegungsstelle mit Kuchen
(hmm, lecker; hab noch einige Runden zugegriffen ( ). Trotz des verhangenen
Himmels blieb es bis nach 22:00 Uhr "hell".
Gegen Mitternacht öffnete der Himmel alle Flutventile und versuchte die
Läufer zu ersäufen. Da ich aber im Soll lag, sprich die ersten 100
Kilometer erreicht hatte, flüchtete ich nicht wie viele andere ins
Verpflegungszelt. Die nachfolgenden Kilometer wurden langsam eintöniger,
da zwischen 2:00 Uhr und 4:00 Uhr nachts doch wesentlich weniger Läufer
auf der Strecke waren als zuvor. Außerdem bin ich nach 100 Kilometern eh
langsam müde, wissend, dass es noch unendlich weiter geht.
Erstaunlicherweise macht der Körper das auch noch ohne großes Murren
mit. Das Wetter besserte sich auch: nach Graupel- und Hagelschauern klarte es
ab ca. 3:00 Uhr auf und es waren Sterne und eine schmale Mondsichel zu
sehen.
4:00 Uhr: endlich wird es am Horizont leicht hell. Wir laufen in einen
sonnigen Vormittag. Der Morgen graut, mir graut etwas vor den immer noch 9 zu
laufenden Stunden. Woher nimmt der Körper die Reserven. Wird wohl doch das
gute Training sein.
Unsere Betreuer haben kein Auge zu getan, immer wieder verlangen sie
unerbittlich: lauf. So sehr ich sie in diesen Momenten verfluche; am Ende bin
ich dankbar, fehlten mir doch sonst notwendige Kilometer um meinen 3. Platz zu
halten. Danke Franz und Hans-Jürgen. Ohne euch wäre ich nie und
nimmer 3. in der AK 55 geworden. Ab 6:00 Uhr früh kann ich keine feste
Nahrung mehr zu mir nehmen. Aber meine Pfefferminztee/Cola Mischung (erweckt
immer wieder Erstaunen bei der Verpflegungscrew) rettet mich über die
Zeit.
Bis auf kleinere Schwächephasen habe ich den Lauf bisher gut
überstanden. Da ich aber um die Problematik weiß, überrascht es
mich nicht sehr, gegen 8:00 Uhr Wadenkrämpfe rechts zu spüren. Da ich
im Vorfeld genug Magnesium zugeführt hatte, tippe ich auf Kochsalzmangel.
Also im Verpflegungszelt selbiges zu mir genommen, eine halbe Stunde immer
wieder etwas gegangen und schon lief es wieder ( Natürlich schrumpfte in
dieser Zeit der Vorsprung auf meinen Verfolger etwas. Umso schlimmer, dass sich
2,5 Stunden vor Ende der Veranstaltung die Malaise wiederholte, dieses mal
Kochsalz aber nicht half. Scheinbar war die Muskulatur nun doch
überreizt.
Auch Claus hatte inzwischen Probleme, sie aber über eine gute Massage
im Zelt gelöst. Hans-Jürgen riet mir nach ca. 1 Stunde engagiertem
Gehen (falls man das einbeinige Hasengehoppel so nennen möchte) zur
Massage. Meine Hochrechnung sagte mir auch, der dritte Platz ist mit dem
Gehoppel nicht zu halten. Also ab ins Zelt und eine sehr schmerzhafte aber
hilfreiche Massage bei sehr engagierten Masseuren absolviert.
Anschließend gelang es mir - in einem meditativ aufgebauten Tunnel
laufend – die restlichen 1,5 Stunden zu absolvieren. Ich lief, laut
Aussage unseres Coachs, ohne irgendwelche äußeren Bedingungen
wahrzunehmen bis zur letzten Runde immer schneller durch. Dieser mentalen
Stärke verdanke ich eine neue Bestleistung von 184 Kilometern.
Die Siegerehrung wurde dann sehr ansprechend vom Ausrichter gestaltet. Alle
4 SCCer waren mit ihren Plätzen sehr zufrieden:
Simone Weiske 3. Platz W 35
Claus Wilutzky 1. Platz M 55
Ryan Shakal 3. Platz M 40
Jürgen Köllner 3. Platz M 55
Anschließend fuhren wir in unser Hotel und holten den versäumten
Schlaf nach. Nachdem nun der Lauf mit meinen Sportkameraden besprochen ist und
die meisten Eindrücke mental geordnet sind, hoffe ich, die neuen
Erkenntnisse beim nächsten Ultralauf positiv umsetzen zu können.
Jürgen Köllner im Mai 2004
Frauen:
1. Ilona Schlegel Melpomene Bonn
2. Dr. Anke Drescher SSC Hanau-Rodenbach
3. Marion Braun SV Germania Eicherscheid
4. Marianne Dahl TSG Großburgwedel
Weltrekord in W 60 195,975 km
Männer:
1. Jens Lukas LG Nord Berlin
2. Sigurd Dutz Ultra Sport Club Marburg
3. Ralf Steißinger TSV Kusterdingen
4. Claus Wilutzky SCC Berlin
Mannschaftswertung:
1. Platz
LG Nord Berlin
Lukas, Jens; Heise, Hans-Peter; Brandt, Michael
2. Platz
SCC Berlin
Wilutzky, Claus; Köllner, Jürgen; Ryan, Shakal
3. Platz
Ultra Sport Club Marburg
Dutz, Sigurd; Bajohr, Harald; Dautert, Alexander
Ergebnisse unter: http://www.mika.de/f.04_ergebnisse.htm