Langstrecken laufen in Südamerika ist noch immer etwas Besonderes. Selten
findet man ein Klima wie in Nordamerika oder Europa vor, und wenn dann in
Höhenlagen.
Deshalb gibt es nur wenige MARATHON- und Halbmarathonveranstaltungen bei
denen gute Resultate erzielt werden können. Eigentlich nur der
traditionelle MARATHON in Blumenau, im brasilianischen Bundesstaat Santa
Catarina, der MARATHON in Porto Alegre in Rio Grande do Sul und eben der
HALBMARATHON in Buenos Aires/Argentinien.
Läufe in der Winterzeit
Natürlich finden diese Läufe in der Winterzeit statt. Das ist hier
zwischen Mai und September. Während Blumenau und Porto Alegre zwar
schöne Städte sind, kann man sie jedoch nicht mit einer Hauptstadt
wie Buenos Aires vergleichen, eher vielleicht noch mit Rio de Janeiro, aber die
dortige Wintertemperatur fällt schwerlich unter 25 Grad. Aus diesem Grund
treibt es immer mehr Brasilianer - die ihre Laufergebnisse verbessern wollen,
nach Buenos Aires in die Hauptstadt Argentiniens.
"Gute Luft"
Temperatur, Meereshöhe und wie der Name der Stadt schon sagt - gute Luft -
, sind die positiven äusseren Voraussetzungen um sein Ziel zu
erreichen.
Wer Buenos Aires zum ersten Mal besucht, könnte auch glauben dass er
sich in Mailand, Madrid oder einem Stadtteil von Paris befände.
Europäisch sind die breiten Avenidas mit ihren mehrstockigen Wohn und
Geschäftshäusern im französischen Stil.
Die Parks erinnern an den Bois de Bologne und Rigoletta und Boca könnten
genauso Stadtteile in Mailand sein. Man besucht also Buenos Aires nicht nur des
Laufens, sondern auch der guten Restaurants, der Museen und der Flora wegen.
Nirgendwo auf dem amerikanischen Kontinent kauft man Lederwaren besser und
billiger als hier ein.
Plaza de Mayo
Doch wir waren ja aus Brasilien zum Laufen gekommen. In den letzten Jahren
wurde die Laufstrecke mehrmals geändert. Die Veranstalter haben noch nicht
das Gewicht innerhalb der Stadtverwaltung wie beispielsweise die Berliner
Veranstalter.
Start und Ziel war an der durch triste Ereignisse bekannte „Plaza de
Mayo“. Hier versammelten sich die Mütter und Angehörigen der
Vermissten und Gefangenen des Militärregimes so lange in stummer Trauer,
bis Argentinien wieder zur Demokratie zurückkehrte.
Evita
Gleich nach dem Start passiert man links den Palacio Rosado, den rosarot
getünchten Präsidentenpalast und unwillkürlich denkt man an den
legendären Präsidenten Juan Perón und Evita, die
Sagenumwobene. Es bleibt nicht viel Zeit denn rasch muss man die Avenida
Libertador überqueren, das Hupkonzert der Autofahrer wirkt ungeduldig,
denn Argentinier haben keine guten Nerven und warten können sie schon gar
nicht (aber die Polizei und Ordner haben die Straßen trotzdem autofrei
gehalten).
Die nächsten 12 Kilometer legt man im wiedererstandenen Puerto Madera
zurück. Das war einmal der Hafen von Buenos Aires, der heute zu einem
modernen Wohn-, Geschäfts- und Vergnügungszentrum umgebaut wurde.
Entlang den alten Kais erinnert man sich warum der Bewohner dieser Stadt
„Porteño“ genannt wird. Bei Km 15 ist dann die ruhige, etwas
neblige Landschaft zu Ende, wieder muss sich der Läufer vor unruhigen und
ungeduldigen Autofahrern in acht nehmen.
20-spurig
Es geht leicht hinauf zur Avenida de Julio, der angeblich breitesten Avenida
der Welt (20-spurig). Einmal hin und einmal zurück und schon biegt man
wieder in Richtung „Plaza del Mayo“ ein und wundert sich wie leicht
man wieder einmal Bestzeit gelaufen ist. Buenos Aires hat eben ein
Läuferklima (der Wind von der Mündung des Rio de la Plata sorgt
für ständige Frischluft und Austausch).
Schöner Pokal
Die diesjährige Veranstaltung (XVI. Media Maraton Ciudad de Buenos Aires)
litt etwas unter der Wirtschaftskrise des Landes, obwohl gut organisiert fand
sich kein Werbeträger bereit als ordentlicher Sponsor aufzutreten. So
mussten sich die Sieger mit einem schönen Pokal begnügen, für
die Plazierten gab es wie üblich Medaillen und ein T-Shirt. In Anbetracht
dieser nicht so einladenden Situation sind die Leistungen der Gewinner umso
bemerkenswerter:
Den Lauf der Männer gewann der Argentinier Oscar Cortinez
in der Zeit von 1:05:09 vor Cristian Fernandez 1:05:31 und Lises Sanguinetti in
1:05:49.
Den Lauf der Frauen gewann die Brasilianerin Elizabete Cruz,
in der Zeit von 1:19:17 vor Lorena Lazaro in 1:21:12 und Ana Gracas in
1:22:33.
Elizabete kommt aus Belem im Staate Pará, an der Amazonasmündung
und ist gewohnt bei Temperaturen um und über 30 Grad zu trainieren.
Nachdem sie im Norden des Landes alle Titel zwischen 10 Kilometer und dem
MARATHON gewonnen hatte, kam sie vor einem Jahr nach São Paulo, wo sie
unter der erfahrenen Anleitung des Erfolgstrainers Wanderlei Oliveira sich
systematisch verbessert. Sie träumt davon einmal einen MARATHON in Europa
bestreiten zu können.
"Das Tier"
Als Dritte kam eine weitere Brasilianerin ins Ziel „o animal“,
„das Tier“ wird sie genannt. Ana Luiza das Graças hat eine
bemerkenswerte Vergangenheit.
Sie verbrachte die ersten 18 Jahre ihres Lebens in einem staatlichen Waisenhaus
und lebte danach weitere 15 Jahre auf der Strasse. In den letzten Jahren als
Anführerin einer Strassengang. Drogen, Diebstahl, Prostitution sind ihr
nicht fremd.
Noch heute sagt sie, wenige meiner Kumpels überlebten. Sie hatte das
Glück, dass ihr irgendwann einmal jemand alte Laufschuhe gab und sie
einfach bei einem 10 Kilometer-Lauf mitlief. Sie fand soviel Freude daran, dass
sie weiterlief. Dies fiel dem Gouverneur des Staates São Paulo auf, man
bot ihre eine Unterkunft im Stadion an, gab ihr ärztliche Betreuung und
unterstützt sie mit dem notwendigsten.
Heute mit 44 Jahren ist Ana Luiza nicht mehr „das Tier“, sondern
die schnellste Läuferin Brasiliens in ihrer Altersklasse, in Buenos Aires
erreichte sie das Ziel mit 1:22,33.
Übrigens - Buenos Aires führt dieses Jahr am 10. Oktober einen
kompletten MARATHON durch.
Wir wünschen den Veranstaltern und Teilnehmern, dass es ein grosser Erfolg
wird. Dann könnte Buenos Aires zu einem der bevorzugten Läufe auf dem
gesamten amerikanischen Kontinent werden.
Eckhard E. Kupfer
Sao Paulo
www.amaisonproducciones.com.ar
Anmerkung der Internetredaktion:
In Buenos Aires fand zeitgleich zum Halbmarathon eine Sitzung des Board of
Directors von AIMS (Association of International Marathon and Road Races)
statt. Buenos Aires war nach Sao Paulo (BRA) die zweite Station in
Südamerika für AIMS die internationale und weltweite Verbundenheit
der großen internationalen Veranstalter (u.a. New York City, London,
Berlin) in diesem Erdteil zu präsentieren. Es gab zusätzlich ein
Seminar für nationale Veranstalter, um sich auszutauschen und kennen zu
lernen.
Am Buenos Aires Halbmarathon beteiligten sich über 3.000
Läuferinnen und Läufer aus 21 Nationen. Gleichzeitig wurde ein 5 km
Familienlauf („MEGATLON“) durchgeführt.
Der Autor des Beitrags Eckard E. Kupfer ist Deutscher, der seit
Jahrzehnten in Südamerika beruflich tätig ist. Mit einer großen
Gruppe Läufer aus Brasilien nahm er am Lauf in Buenos teil und traf Horst
Milde zufällig im Hotel und beim Laufen. Eckard Kupfer nahm schon zweimal
erfolgreich in den letzten Jahren auch am BERLIN-MARATHON teil.
Ronaldo das Costa, der Marathon Weltrekordler aus Brasilien, der 1998
seinen gefeierten Weltrekord von 2:06:05 in Berlin lief und auch die
Bronzemedaille von Vanderlei da Lima bei den Olympischen Spielen von Athen
waren die beherrschende Themen unter den Laufenthusiasten aus
Brasilien.
Sicherlich werden nach dem Treffen in Buenos Aires 2005 beim 32.
real,- BERLIN-MARATHON mehr als die diesjährigen 67 brasilianischen
Teilnehmer in Berlin am Start sein!