Für nur wenige der europäischen Spitzenläufer gehört
diesmal die längst etablierte European 10 000 m-Challenge in Maribor zum
“Muss“ auf dem Weg nach Olympia. Ganz im Gegensatz zum Event der
vergangenen Jahre fehlte heuer im Tabor Sport Park in der
zweitgrößten Stadt Sloweniens der Stellenwert, den die stets in der
frühen Saison platzierte 10 000 m-Challenge als Qualifikationslauf
für Welt- oder Europameisterschaften seit ihrer Installation vor nunmehr
acht Jahren besaß. Der Glanz der vergangenen Jahre mit Starts der
europäischen Topathleten wie Paula Radcliffe, Dieter Baumann oder
José Rios wirkt zweifellos nach, aber der Europäische
Leichtathletik-Verband hat mit der Vergabe dieser inoffiziellen
Europameisterschaft außerhalb der iberischen Halbinsel nicht unbedingt
das Glück des Tüchtigen, denn nach Camaiore (2002) und Athen (2003)
ist mit dem vornehmlich im alpinen Skisport bekannten Maribor der
vorläufige sportliche Tiefpunkt erreicht. Alleine Mihaela Botezan,
Fernanda Ribeiro und José Manuel Martinez aus der ersten Garde des alten
Kontinents unterstrichen durch ihre Präsenz die Sonderstellung, wenngleich
die Siegerzeiten mit 32:01,0 der kenianischen Französin Margaret Maury und
28:11,1 des 10 000 m-Europameisters Martinez nahezu alle Wünsche offen
ließen.
Ähnlich wie im italienischen Camaiore vor zwei Jahren, als Dieter
Baumann und José Rios ein furioses Finale hinlegten, trennten zwar auch
in Maribor mit José Manuel Martinez und dessen spanischen Landsmann
Carlos Castillejo zwei Läufer nur einen Schritt, nur waren die
Endresultate seinerzeit in der Toskana fast eine halbe Minute schneller. Mit
28:11,1 und 28:11,3 Minuten gab es zudem die schwächsten Resultate der
letzten Jahre überhaupt. Auch Kamiel Maase, Dritter der Challenge 2001 in
Barakaldo, lag mit 28:20,3 deutlich über seiner Bestmarke – und
damit auch den Olympiaanforderungen über der 25-Runden-Distanz. Für
den 10 000 m-Europameister José Manuel Martinez wird nach seinem nicht
sonderlich erfolgreichen Abstecher auf die Marathondistanz in Tokio mit 2:13:14
die Zeit gewiss etwas knapp, währenddessen José Rios inzwischen
auch nach seinem Marathonsieg im japanischen Otsu mit 2:07:42 eine weitere
Option hat. Auch Vorjahressieger Ismail Sghyr zog einen Marathonstart in Paris
der 10 000 m-Challenge vor. Aber auch die komplette portugiesische Elite fehlte
diesmal, die zusammen mit den spanischen Langstrecklern gerade diesen Wettkampf
mit starken Leistungen nachhaltig befruchteten.
Zwar waren mit Mihaela Botezan die Challenge-Siegerin von Camaiore und der
inzwischen allerdings in die Jahre gekommene frühere Olympiasiegerin
Fernanda Ribeiro als “Titelverteidigerin“ zwei prominente
Läuferinnen am Start in Maribor, doch sie konnten weder den nötigen
Druck für eine Endzeit unter 32:00 Minuten erzeugen noch Margaret Maury
bei ihrer letztlich souveränen Vorstellung gefährden. Die seit zwei
Jahren durch ihre Heirat für Frankreich startberechtigte Margaret Kerubo
setzte sich deutlich in sogar Hausrekord von 32:01,0 Minuten gegen Mihaela
Botezan (32:15,4) und Fernanda Ribeiro (32:23,1) durch, dagegen hatte die im
Vorjahr noch so stark auftrumpfende Cross-Europameisterin Helena Javornik bei
ihrem Heimspiel mit 32:31,4 keine Chance.
Deutsche Läufer fehlten diesmal gänzlich, obgleich gerade in der
Vergangenheit insbesondere Dieter Baumann oder Irina Mikitenko mit einem Start
bei der Challenge den rechten Einstieg in die Saison schaffen konnten und
gerade die Bedeutung dieses Frühjahrskriteriums hervorzuheben wussten.
Gerade für die sogenannte zweite Reihe hätte sich hier eine ideale
Wettkampfgelegenheit angeboten. Stattdessen gehen die zugegeben wenigen
deutschen Läufer mit Perspektiven wie auch schon zwei Wochen zuvor bei der
Cross-Weltmeisterschaft in Brüssel einer internationalen
Standortbestimmung aus dem Wege und trainieren “im stillen
Kämmerlein“ auf ein oftmals nicht näher definiertes
(realistisches) Ziel hin. Verständlich hingegen, dass Sabrina Mockenhaupt
nach zwei Negativerlebnissen bei Challenge-Auflagen diesmal ein
Höhentrainingslager in Flagstaff dem Start vorzog. Sie wird zusammen mit
Irina Mikitenko, mit der sie übrigens derzeit im US-Laufeldorado
trainiert, die Olympianorm über die 25-Runden-Distanz bei den deutschen
Meisterschaften in Borna am 20. Mai in Angriff nehmen.
Wilfried Raatz